Beschreibung
Zwischen Vater und Sohn besteht meist kein Unterschied:
Beide sind Kinder im Geiste, die sich mit den Autoritäten anlegen. e.o.plauen schuf liebevolle Geschichten eines Vaters und seines Sohnes, die einander selbst in den komischsten Missverständnissen dann doch verstehen. Letztlich bleibt: Liebe, Kameradschaft und Lebensfreude sind die verbindenden Elemente zwischen den Generationen.
Rezension
Durch dick und dünn
Der Illustrator Erich Ohser alias e.o. plauen hinterließ in der Historie der Büchergilde Gutenberg bedeutsame Spuren. Seine Vater und Sohn-Geschichten sind zeitlose Klassiker, die man auf der ganzen Welt kennt. Jetzt erscheinen sie auf dem sechsten BÜCHERGILDE BILDERBOGEN.
Der eine ein großer Dicker mit Glatze und Schnauzer, der andere ein kleiner, schlanker Junge mit Strubbelkopf: Vater
und Sohn, ein ungleiches Paar, doch für jeden Spaß zu haben.In den 1930er-Jahren erreichten die kurzen, fast wortlosen Bildergeschichten ein Millionenpublikum: zunächst in der Berliner Illustrirten Zeitung, dann in insgesamt drei Buchausgaben.
Der Mann, der unterschrieb, war „e. o. plauen“. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich Erich Ohser, der darin seine sächsische Geburtsstadt verewigt hat. Ohser ist einer der „drei Erichs“, zusammen mit seinen Freunden, dem Schriftsteller
Erich Kästner und dem Redakteur Erich Knauf, die er in Leipzig kennenlernt und mit denen er auch später in Berlin zusammenarbeitet. Knauf wird dort Cheflektor der Büchergilde Gutenberg. Ohser illustriert für den Verlag Kurzgeschichten, gestaltet Vignetten und Witzbilder, außerdem illustriert er Kästners Lyrikbände. Ohsers Stil ist ausdrucksstark und lakonisch, mitunter sogar scharf, wie er in seinen politischen Karikaturen zeigt, die sich auch gegen die Nationalsozialisten richten.
Wegen dieser Umtriebe bekommt Ohser nach der Machtergreifung Berufsverbot. Nur mit Mühe kann er erreichen, weiter publizieren zu dürfen, wenn er unpolitisch bleibt und ein Pseudonym verwendet. Als der „arisierte“ Ullstein-Verlag für seine Berliner Illustrirte Zeitung nach einem Comicstrip sucht, setzt sich Ohser mit seiner Idee für Vater und Sohn durch. 1934 erscheint die erste Geschichte, Der schlechte Hausaufsatz, die davon erzählt, wie der Vater seinem Sohn bei einer Hausaufgabe hilft und anschließend Prügel vom Lehrer kassiert. Und so folgen Woche für Woche humorvolle Abenteuer und Streiche. Ohser wird als „e. o. plauen“ berühmt, Vater und Sohn werden eine Marke für Spielzeug und Werbung und lassen sich sogar für die Politik vereinnahmen – er lässt sie im Olympischen Dorf und im Wahlkampf der NSDAP auftreten. Nur so kann der Künstler einem erneuten Berufsverbot entgehen.
Nach drei Jahren wird es Ohser zu viel und er beendet die Serie. Die beiden Figuren verabschieden sich von ihrem Publikum mit Worten: in einer Notiz, angeheftet an einen Baum. Dann gehen sie dem Horizont entgegen, fliegen zum Himmel, wo sie später selbst als Mond und Stern leuchten – Abschied oder: Das größte Abenteuer.
Für Erich Ohser nimmt es kein gutes Ende. Nachdem im Krieg seine Wohnung und sein Atelier ausgebombt wurden, wird er 1944 zusammen mit Erich Knauf wegen regimekritischer Äußerungen denunziert und verhaftet. Die Todesstrafe steht vor der Hauptverhandlung fest. Ohser kommt ihr zuvor, indem er sich am 5. April das Leben nimmt. Er ist 41 Jahre alt. Erich Knauf wird am 2. Mai mit dem Fallbeil hingerichtet. Seit 2013 erinnert ein Stolperstein an das Schicksal des Künstlers, platziert in der Dudenstraße Nr. 10 in Berlin vor dem ehemaligen Verbandshaus der Deutschen Buchdrucker und in den 1920er-Jahren Sitz der Büchergilde Gutenberg.
Ohsers Hauptwerk überdauert. Die Geschichten von Vater und Sohn bleiben auch nach dem Krieg populär und verbreiten sich auf allen Kontinenten. Auch die Büchergilde hat die Streiche und Abenteuer seit den 1950er-Jahren immer wieder neu aufgelegt. Nun bringt sie eine Auswahl der schönsten Vater und Sohn-Geschichten als BÜCHERGILDE BILDERBOGEN ? 6 auf einem auffaltbaren Blatt von 97 mal 67 Zentimetern. Auf der Rückseite sind die beiden Helden in Übergröße abgebildet – was ihrem Ruf gerecht werden dürfte.
Lukas Gedziorowski arbeitet als freier Journalist und Autor in Berlin, darunter als Online-Redakteur für Deutschlandfunk Kultur. Außerdem betreibt er das Weblog batmanprojekt.com