Das Licht hält sich die Augen zu
Radierzyklus und Spottgedicht "Traum und Lüge Francos"
Picasso, Pablo / Schneider, Cosima / Nisters, Claudia
Erscheinungsjahr:
2020
Beschreibung
Radierzyklus Traum und Lüge Francos von Pablo Picasso in Originalgröße auf zwei Bilderbogen einseitig vierfarbig bedruckt, Format 67 x 48 cm. Gedicht Traum und Lüge Francos von Pablo Picasso (spanisch und deutsch) und Text von Dr. Claudia Nisters auf zweiseitig einfarbig bedrucktem Bilderbogen, Format 48 x 33,5 cm, im flexiblen Schuber (34 x 24 x 0,8 cm)
Rezension
Kunst als Waffe
Der Radierzyklus Traum und Lüge Francos ist Picassos erstes politisches Werk – und seine Veröffentlichung im BÜCHERGILDE BILDERBOGEN No 5 eine kleine Sensation.
Auf der Weltausstellung in Paris 1937 trat Picasso erstmals politisch an die Öffentlichkeit. Es war die Zeit des Spanischen Bürgerkriegs, in dem auch deutsche Truppen als Verbündete Francos gegen die sozialistische Regierung Spaniens Krieg führten. Unter dem Eindruck der Bilder aus der Stadt Gernika, in der bei einem Angriff vor allem Zivilisten zu den Opfern gehörten, war sein berühmtes Wandbild Guernica entstanden. Weniger bekannt, aber nicht weniger eindrücklich ist der Radierzyklus, den Picasso vor der Arbeit an Guernica begonnen hatte und kurz nach Fertigstellung des Wandbildes ebenfalls vollendete. Die zwei Blätter mit je neun Bildern, die wie ein Comicstrip szenenhaft Francos Untaten, aber auch Niederlagen, nebeneinanderstellen, sind zusammen mit einem Gedicht von Picasso im spanischen Salon auf der Pariser Weltausstellung als Mappe verkauft worden.
Vor allem die ersten neun Grafiken der Folge zeigen General Franco als absurdes Monster mit Stielaugen, Rüsselnase und Schnurrbart, hoch zu Ross mit Krone, Fähnchen und Degen. Franco wird als eingebildet, triebgeleitet und weibisch verspottet, wenn er auf einem Pferd reitet, dessen Gedärme bereits heraushängen, wenn er mit einem überdimensionierten Penis ausgestattet oder in Frauenkleidern dargestellt wird und vom Stier (dem spanischen Volk) auf die Hörner genommen wird. Die letzten Grafiken der Bilderfolge sind im Charakter dagegen ernst. Sie zeigen Sterbende auf dem Schlachtfeld und die klagende Mutter mit ihrem Kind, die uns aus dem Guernica-Wandbild bekannt ist. Das beiliegende Antikriegsgedicht Picassos ist der Sprache der Radierungen durchaus ähnlich in der Verbindung von Groteske und tiefem Schmerz. Buchstäblich ohne Punkt und Komma sind bizarre Assoziationen aneinandergereiht, zum Teil Motive der Bilder aufnehmend. Begriffe des täglichen Genusses stehen neben solchen des Leids und der Grausamkeit. Im Verlauf des Gedichts weicht das Groteske letztlich einem verzweifelten, mehrstimmigen Schrei.
Erstmals in Deutschland werden die Radierungen in Originalgröße abgedruckt. Die Publikation wird ergänzt durch einen kenntnisreichen Text von Dr. Claudia Nisters, Kuratorin einer Picasso-Ausstellung im Städelmuseum Frankfurt (2019), in welchem sie die Entstehungsgeschichte der Radierfolge im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Arbeit an Guernica beschreibt. Der Radierzyklus steht in der Tradition der Aleyulas, eines politischen Publikationsformats, das dem der Bilderbogen des 18. Jahrhunderts hierzulande ähnelt. Es ist also nur folgerichtig – und gleichzeitig eine kleine Sensation –, dass diese Arbeit in der Reihe der BÜCHERGILDE BILDERBOGEN mit Genehmigung der Erben Picassos veröffentlicht werden darf.
„Wut krümmt das Schattenbild das seine Zähne peitscht die im Sand stecken und das leiboffene Pferd in der Sonne die es den Fliegen vorliest die an die Knoten des Netzes voll Sardellen die Ra-kete aus weißen Lilien heften“
Aus: Das Licht hält sich die Augen zu
Hendrikje Hüneke ist Kunsthistorikerin mit einer besonderen Vorliebe für Kunstbücher, Kunst im Buch und Buchkunst.