Beschreibung
Der Lapsus ist ein bekanntes Phänomen: eine versehentliche Handlung oder ein geradezu unterlaufener Text, woran sich ablesen läßt, was die Wahrheit sei, meist die der Intention dessen, der sich vergeblich hinter jener Handlung verstecken, mit jenem Text maskieren wollte. Zumindest vermag der Lapsus die intentio auctoris dessen, was also gelesen wird, so zu wenden, daß eben jene freigelegt würde, die lautete: Der Text möge sie bedecken. Der Lapsus berührt also das Uneigentliche, und sei's irreduzibel, um es zu transzendieren. Darin liegt eine Würde des Lapsus, der dann nicht Fehler, sondern List zum Beispiel der Sprache wäre. In ihm ist "so viel Verstand, daß er fast zu nichts mehr in der Welt zu gebrauchen" ist, so ließe sich mit Lichtenberg sagen. Zuletzt widerlegt und erfüllt sich im Lapsus also, was Kultur ist: darum diese kleine Fehler[kultur]wissenschaft.
Autorenportrait
Martin A. Hainz, Mag. Dr. phil., ist in Forschung und Lehre tätig, u.a. an der Freien Universität Berlin sowie den Universitäten Wien, Iasi, Timisoara und Trondheim; er ist Verfasser und Herausgeber mehrerer Bücher, vor allem zur Literatur seit der Aufklärungszeit und zur Literaturtheorie.