Beschreibung
Die politischen Ereignisse von 1918, 1933 und 1945 haben die deutsche evangelische Theologie und Kirche veranlasst, ihr Verhältnis zur Politik und ihre Stellung zum Staat neu zu überdenken und zu formulieren. Der Theologe H. Thielicke stellte zu diesem Phänomen speziell im Blick auf die Situation nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fest, "dass die Ethik des Politischen seit dem deutschen Zusammenbruch von 1945 und der damit gegebenen Grundsatzbesinnung eine Fülle von Fragen aufwarf, die Politiker und Theologen zu wechselseitiger Beratung rief und speziell der evangelischen Kirche - oder jedenfalls Gruppen in ihr - Veranlassung zu nicht immer glücklichen Zwischenrufen, Polemiken und Engagements gab". Die theologie- und kirchengeschichtliche Entwicklung der letzten fünfzig Jahre hat es mit sich gebracht - darin gewiss auch von soziologisch-politischen Faktoren beeinflusst -, dass die Vertreter einer bestimmten Meinung im Raum des Protestantismus vorwiegend - auch in Fällen, wo eine deutliche "profan"-politische Tendenz vorliegt - theologische Argumente zur Begründung heranziehen. Deshalb sind auch für eine historisch-politisch-soziologische Untersuchung der politischen Bedeutung und Wirkung des westdeutschen Protestantismus theologische Äußerungen sehr wichtig und nicht nur innerkirchlich bedeutsam.
Hans Gerhard Fischer macht es sich in dieser Arbeit zur Aufgabe zu untersuchen, ob die Aussagen evangelischer Theologie zu Problemen der "politischen" Ethik und im Besonderen zu dem Fragenkreis der Demokratie in Fortsetzung der Tendenz in der Weimarer Republik "im allgemeinen auf eine Stärkung der autoritären Elemente" ausgehen, oder ob es im Raum des westdeutschen Protestantismus auch Ansätze zu einem neuen theologischen Denken gegenüber den Problemen der Demokratie gibt.