Beschreibung
Sigmund Freuds Entmachtung der Rationalität des Menschen und Walter Benjamins Versuch einer Umwandlung des Bildes der Geschichte sind Wendungen gegen mythisch verstandene Welterklärungsmodelle. Diese radikalen Mythenkritiken zeichnen sich dadurch aus, dass sie das Mythische nicht nur als ihr Gegenteil brauchen, sondern dass die Mythen wider Erwarten ein funktionaler Bestandteil ihrer Denkformen sind. Die Beiträge des Bandes gehen dieser Dialektik auf den Grund. Die europäische Aufklärung ist nicht leicht auf den Begriff zu bringen, wenn sie aber auf ein Schlagwort gebracht werden soll, so wäre es das der Mythenkritik. Doch jede Verwandlung durch die Wissenschaften bedeutete nicht nur eine Befreiung, sondern zu allererst eine Kränkung: Die Soziologie nach Marx ist eine Lehre von der Gesellschaft, die sich nicht mehr anthropologisch-mythischer Topoi bedient, die Philosophie nach Kant ist von der Präsenz des Göttlichen gereinigt, die Biologie nach Darwin arbeitet ohne den Bezug auf Schöpfungsmythen und die Psychologie ist durch Nachdenken und Forschen über den Menschen ohne Rückgriff auf christliche Sündenlehren zu charakterisieren. Haben sie alle aber nicht neue Mythen produziert? Die Autorinnen und Autoren versuchen, kritische Reflexionsprozesse in Gang zu setzen. Radikale Mythenkritik zeichnet sich dadurch aus, dass sie das Mythische nicht nur als ihr Gegenteil braucht, sondern dass die Mythen wider Erwarten ein funktionaler Bestandteil ihrer Denkformen ist. Die Beiträge des Bandes gehen dieser Dialektik auf den Grund. Wilhelm Brüggen Die Freudsche Psychoanalyse des Mythos Christoph Braun Der Name der Ratte - Zu Jacques Lacans Individualmythos des Neurotikers Josef Ludin Über die historische Wahrheit Wilhelm Menke Zur Aktualität des Mythos Christoph Türcke Freuds Mythos der Sohnesreligion Iris Därmann Wie man wird, was man isst. Opfermahlzeit, Kannibalismus und Identifizierung bei Robertson Smith und Sigmund Freud Viola Altrichter Die Entwicklung des Seelenbegriffes im interkulturellen Vergleich und seine Transformation zur Psyche Andreas Gehrlach Diebstahl statt Mord - eine andere Gründungserzählung in den Mosesbüchern Bernd Heimerl Der Ursprung der Kultur Rüdiger Eschmann Erlösung durch Zerstörung - Der Mythos der Apokalypse und das Unbewusste Barbara Heindl Scheiternde Subjektivität
Autorenportrait
Die Herausgeber: Christoph Braun, Psychologe, Psychoanalytiker und Lehrbeauftragter am Berliner Institut für Psychotherapie und Psychoanalyse (BIPP). Wilhelm Brüggen, Dr., Arzt, Psychoanalytiker und Lehranalytiker, bis Juli 2015 Leiter des BIPP. Andreas Gehrlach, Dr., Germanist an der FU Berlin. Bei Brandes & Apsel erschienen: Die Modernisierung des psychischen Apparats. Seelische Strukturen im kulturellen Wandel (2009); Psychoanalyse der Institutionen - Institutionen der Psychoanalyse (2013).