Beschreibung
Wer sucht, der findet noch heute in den Depots einiger Museen lebensgroße Menschenfiguren, mit denen um 1900 Angehörige der so genannten Naturvölker nachgebildet und dem europäischen Publikum präsentiert wurden. Wer stellte sie vor, wo und warum? Ging es um bloße Volksbelustigung, um politische Propaganda oder um ein lukratives Geschäft? Waren wissenschaftliche Interessen im Spiel? Welche Geschichte verbirgt sich in den Figuren? Während der deutschen Kolonialzeit und darüber hinaus dienten die Menschenbilder zu Ausstellungszwecken aller Art. Eine Hamburger Händlerfamilie mit dem sprechenden Namen Umlauff stellte sie her - nach zeitgenössischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und den herrschenden ästhetischen Standards der Naturtreue. Das Wirtschaftsunternehmen wies seine Menschenbilder als lebensecht aus: Sie sahen echt aus, waren es aber nicht. Von dieser Konstruktion profitierte auch die aufstrebende deutsche Wissenschaft vom Menschen. Anhand von Völkertypen begründete die Anthropologie ihre eigene Seriosität - und nicht zuletzt das eigene Echte der Deutschen. Papua, Massai, Oglala-Sioux, Buschmann und viele andere fanden sich im Figurenrepertoire der Firma Umlauff. Sie produzierte Klischees im doppelten Sinn - kulturelle Klischees des Anderen und technische Klischees für die unbegrenzte Reproduktion identischer Kopien. Effekte von beidem sind bis heute im Umlauf.
Autorenportrait
Britta Lange, geboren 1973, ist Kunst- und Kulturwissenschaftlerin. Sie lebt als freie Autorin in Berlin und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kulturgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin. Veröffentlichungen bisher u.a.: Einen Krieg ausstellen. Die "Deutsche Kriegsausstellung" 1916 in Berlin (2003).