Beschreibung
Jedes Museumsobjekt hat seine eigene Geschichte. Dabei ist es vollkommen gleichgültig, ob es sich um einen zerschlagenen Wasserkrug aus dem Mittelalter, einen vergoldeten barocken Thronsessel oder einen Designerlöffel aus dem 21. Jahrhundert handelt. In den meisten Fällen sind die angedichteten Legenden spannender als die Wirklichkeit. So erzählte man auch über zwei Jahrhunderte abenteuerliche Geschichten über das Federzimmer, welches Kurfürst August der Starke von Sachsen einst erworben hatte. Es war, abhängig vom jeweils herrschenden Zeitgeist, Trophäe königlichen Mutes oder Symbol blutiger Ausbeutung. August der Starke erwarb 1723 eine Schlafzimmerausstattung der besonderen Art: ein Paradebett mit Baldachin, Vorhängen und Teppichen. Diese passte ausgezeichnet zu seiner stetig wachsenden, wertvollen Porzellansammlung und sollte gemeinsam mit ihr im Japanischen Palais zu Dresden aufgestellt werden. Aus dem Erworbenen ließ sich Imposantes kreieren: Auf Befehl des Königs wurden u. a. die Vorhänge des Baldachins abgenommen und zu Wandteppichen umgearbeitet. Kleinere Einzelteile komplettierten die Ausstattung, später kamen noch Stuhlbezüge hinzu. Auf diese Weise entstand eine vollständige, damals hochmoderne Zimmereinrichtung. Der große Aufwand hatte sich gelohnt, denn derart präsentiert kam das Bemerkenswerte, das Material der Neuerwerbung, zu voller Geltung. Nicht kunstvolle Goldstickerei oder edles exotisches Seidengewebe war zu sehen: Weit über zwei Millionen schillernder, fremdartig aussehender Federn schmückten jeden Zentimeter der Einrichtung. Und sündhaft teuer, wie es sich für einen Monarchen wie August den Starken gehörte, war dieses Vergnügen auch. Wie an vielen Fürstenhöfen üblich, sollte das Schlafgemach somit Teil einer kunstvollen Inszenierung von Macht, Reichtum und erlesenem Geschmack sein. Nach dem Tod des Königs 1733 war die Begeisterung für das Federzimmer vorbei. Als nunmehr unmodisches und ungeliebtes Stiefkind wurde es über die Jahre 'mitgeschleppt'. 1830 fand das Federensemble im Schloss Moritzburg bei Dresden eine neue Heimat. Nach ersten Versuchen 1968 das Federzimmer zu erhalten, musste es 1972 aus konservatorischen Gründen abgebaut werden. Das Schicksal des Zimmers schien besiegelt, eine Restaurierung fraglich. Nach weiteren Untersuchungen ab 1975 begann 1987 die umfangreiche Rettung und Wiederherstellung der gesamten Ausstattung, die 2003 mit der Wiederaufstellung des Ensembles in Moritzburg abgeschlossen wurde. Besonders aufsehenerregend sind die Erkenntnisse, die während der Restaurierung gewonnen wurden. Viele der bisher unverständlichen Zusammenhänge konnten dabei geklärt werden. Seit mehr als 200 Jahren ist die Herkunft dieses ungewöhnlichen Schlafzimmers aus Federn, das von Bewunderern sogar mit dem 'Bernsteinzimmer' verglichen wurde, ungeklärt. Welchen Ursprungsort hat es? War es ein Auftragswerk oder Beute eines Raubzuges? War es Kitsch, Zeugnis von Sklavenarbeit oder eine geniale Erfindung? War bzw. ist es wirklich einmalig oder könnte es mehrfach hergestellt worden sein?