Beschreibung
Wenn sich der Mond im Brunnen spiegelt muss er aufpassen, nicht herausgefischt zu werden! Einst hätte ein solcher neugieriger Blick das Himmelsgestirn nämlich fast um seinen Platz am Firmament gebracht: Eine unvorsichtige Magd schöpfte den Mond aus dem Hausbrunnen und trug ihn in die Küche, wo die Köchin schon auf das Wasser für ihren Brotteig wartete. Prompt wurde der Mond in einen der runden Laibe mit eingebacken und war jämmerlich gefangen. Da eilte ihm ein nahes Bächlein zu Hilfe, sprudelte so wild es konnte und schwoll an, bis es die zum Abkühlen an seinem Ufer aufgereihten Brotlaibe mit sich riss und so den Mond befreite. Man sieht: Auch im kleinsten Bach steckt die nimmermüde Urkraft des Wassers, dieses geheimnisvollen, mythischen Elements, aus dem wir alle kommen, in dem wir uns bewegen, mit oder gegen den Strom schwimmen. Unverdrossen hält es uns am Leben, hilft uns bei der Arbeit, schützt uns und birgt doch für uns Landbewohner gefährliche, schaurige Tiefen. Früh schon versuchten die Menschen den Geist und die Seele des Wassers in Geschichten, Liedern und Versen einzufangen. Zahllose Märchen erzählen von goldenen Quellen und Wasserzwergen, denen der Schalk im Nacken sitzt, von bleichen Bräuten mit zartgrünen Häuten zwischen Fingern und Zehen, von Froschmännern und Nixen, die auf Wellen tanzen. Erika Eichenseer, die Entdeckerin der lange verschollenen, unbekannten Märchensammlung von Franz Xaver von Schönwerth, hat 30 der schönsten bayerischen Wassermärchen ausgewählt und um kurze Anmerkungen zu den Motiven der Texte, zu ihren historischen Bezügen und sprachlichen Besonderheiten ergänzt: ein magischer Tauchgang für Klein und Groß.