Beschreibung
Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts ist eine Übergangszeit, in
der sich wissenschaftliche Literatur von der fiktionalen abzugrenzen
beginnt, jedoch noch keine ausdifferenzierten methodischen
Verfahren und Schreibweisen entwickelt hat. In diesem Zeitraum
entstehen die satirisch-phantastischen Reisegeschichten um den
Baron von Münchhausen. Die vorliegende Arbeit untersucht die
Bedeutung der Münchhausiaden, die bereits ein Außenblick, eine
kritische Widerspiegelung der zeitgenössischen wissenschaftlichen
Diskurse und deren textuellen Formen, aber auch deren
selbstverständlicher und produktiver Bestandteil sind. In den Blick
genommen werden speziell Darstellungen von Transportmitteln –
sie sind besonders im Hinblick auf den Beginn der Ballonfahrten
und die ersten Versuche, Schiffe mit Dampfmaschinen zu betreiben,
interessant. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Darlegung
von Funktionen und Wirkungsweisen der Lüge bei der Perspektivierung
und Entstehung menschlicher Erkenntnisse. Die
Studie geht auch der Frage nach, inwiefern die in den englischen
und deutschen Fassungen differierenden Schreibweisen und kreativen
Erkenntnisräume bis heute produktiv wirken können.
Melanie Beese ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für
Deutsch als Zweit- und Fremdsprache an der Universität Duisburg-
Essen. Sie wurde dort mit der vorliegenden Arbeit promoviert.
Sie entwickelt naturwissenschafts- und technikdidaktisch
orientierte Modelle zum integrierten Fach- und Sprachenlernen.
Mitherausgeberin des Lehrwerks „Sprachförderung in allen Unterrichtsfächern“
sowie des Themenheftes „Protokolle und Co. –
Fachsprache entwickeln“ zur Sprachbildung im Biologieunterricht.
Autorenportrait
Melanie Beese ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Deutsch als Zweit- und Fremdsprache an der Universität Duisburg-Essen. Sie wurde dort mit der vorliegenden Arbeit promoviert. Sie entwickelt naturwissenschafts- und technikdidaktisch orientierte Modelle zum integrierten Fach- und Sprachenlernen. Mitherausgeberin des Lehrwerks „Sprachförderung in allen Unterrichtsfächern“ sowie des Themenheftes „Protokolle und Co. – Fachsprache entwickeln“ zur Sprachbildung im Biologieunterricht.
Inhalt
1. Münchhausens wissenschaftliche Experimente – ein unerforschtes Feld
2. Münchhausen als Traditionsbewahrer und Neubegründer literarischen Fliegens – Raspes und Bürgers Münchhausen im Vergleich
2.1. Der Flugdiskurs der 1780er Jahre: zwischen zwei Kursänderungen im Zusammenstoß von Fiktion und Wirklichkeit
2.2. Ein französischer Ballonfahrer im englischen und deutschen Kontext – von humorvoll differenzierten wissenschaftlich-philosophischen Betrachtungen zur aggressiven Satire
2.2.1. Eine zweifache Menge Pulver für die Reise zur Sonne der Aufklärung
2.2.2. Der Ballonfahrer Blanchard als Symbol für die Fäulnis der alten Gesellschaft
2.3. Die Flugepisoden aus der Feder Rudolf Erich Raspes – ein verwinkelter, vernetzter und fantastischer Raum zur vielseitigen Erkundung der Luftfahrt
2.3.1. Ein Ballonabenteuer, das die gesellschaftlichen Verhältnisse eine Zeit lang aus den Angeln hebt
2.3.2. Die neue Erkenntnisform als zukunftsweisendes Element zwischen Eroberungsträumen und Reiselügnern
2.3.3. Recycling alter Flugmythen und ihrer prototypischen Helden
2.3.4. Bürgerlich-protestantische Arbeitsethik und die materialistische Philosophie La Mettries, vom Mond aus betrachtet
2.3.5. Wie Raspes Münchhausen das Fliegen und das Fliegen Münchhausen gestaltet
2.4. Fliegen im Kontext zeitgenössischer Wissenschaftskultur – ein Bruch zwischen Raspe und Bürger?
2.4.1. Eine Veränderung der Flugrichtung
2.4.2. Ein kontroverser Fallschirmsprung
2.4.3. So geduldig als Blanchards Hammel
2.4.4. Moderne Ententechnik und antimilitaristische Kanonenkugel
2.4.5. Experimentelle Visionen mit vielschichtiger Satire oder entgrenzte Fantasie mit ästhetischem Genuss – das rezeptionsgeschichtliche Dilemma der Münchhausiaden
3. Hinter dem Schein ein vielfältiges Sein – der Wal als Moment produktiver Diskursverschränkung
3.1. Wal und Walfang im produktiven Verwirrspiel von Schein und Sein
3.2. Vom Wal (an)getrieben und vom Leviathan der Wissenschaft
3.2.1. Ein englisches Kriegsschiff segelt nach Amerika und kommt als Handelsschiff für Waltran zurück
3.2.2. Wie man einen Wal fängt oder von ihm gefangen wird
3.2.3. „Aus seinem Munde fahren Fackeln, und feurige Funken schießen heraus“
3.2.4. Eine produktive Zunge
3.3. Gebrochene Utopien der Wa(h)lgesellschaft – Münchhausens Begegnung mit gesellschaftlichem und technischem Fortschritt
3.3.1. Von der Wahl im Wal
3.3.2. Von Ebbe und Flut, Höhen und Tiefen der Aufklärung
3.3.3. Inside the w(h)ale
3.3.4. Die Wa(h)lgesellschaft, die keine Wahl hat
3.3.5. Mit Volldampf auf zu neuen Ufern und in neue Sackgassen
3.4. „Jonas der zweite im Mittelländischen Meer“ – die schwierige Geburt der modernen Zeit
3.4.1. Ein aufgeklärter Jona
3.4.2. Stammt der Mensch vom Wal ab?
3.4.3. Münchhausen – ein Caesar der Medizin?
3.4.4. Strittige Vaterschaft
3.5. Literarischer Mehrwert im Diskursgeflecht und Anleitung zur kritischen Mündigkeit – Münchhausens Walabenteuer als interaktiver Teil einer Wissenschaftskultur
4. Münchhausens Fortbewegung im widersprüchlichen und unendlichen Erkenntnis- und Entwicklungsprozess
4.1. Literarische Erforschung und Produktion von Welt in Münchhausens (unter-)irdischer Komödie
4.2. Erkenntnisgewinn der Lüge – Münchhausen als Wegbereiter moderner Wissenschaftskritik
Literaturverzeichnis