Beschreibung
Die schnelle technologische Entwicklung im Automobilbereich führt zu großem Wettbewerbsdruck, der immer kürzere Entwicklungszeiten zur Folge hat. Die zusätzliche hohe Variantenvielfalt in den Antriebskonzepten und Fahrzeugmodellen sowie die damit verbundenen Applikationsaufgaben führen zu einem erhöhten Ressourcenaufwand in Bezug auf Personal, Zeit, Logistik und Kosten. Um die Entwicklungsarbeiten zu unterstützen, werden Simulationswerkzeuge eingesetzt. Ein wesentlicher Nachteil dabei ist jedoch, dass eine ganzheitliche subjektive Funktionsbewertung erst möglich ist, wenn das Fahrzeug als Prototyp vorliegt. Gleichwohl kann der frühzeitige Einbezug menschlicher Faktoren (Human Factors) in der technologischen Entwicklung zu einer Verkürzung der Entwicklungszeit beitragen. Fahrsimulatoren bieten hierfür eine vielseitige Testumgebung für subjektive Untersuchungen in frühen Entwicklungsstadien, in denen noch kein Prototyp vorliegt. Der Fokus dieser Arbeit liegt auf dem Einsatz eines längsdynamischen Fahrsimulators für die Applikation von Anfahrvorgängen in virtueller Realität. Zu diesem Zweck wurde der Fahrsimulator weiterentwickelt, um die für die Fahrzeugführung relevanten Informationen (vestibuläre, visuelle, akustische und haptische Reize) im Fahrsimulator darzustellen und zu verbessern. Die Fahrdynamik wird mithilfe eines elektrischen Antriebsstrang- und Fahrzeugmodells simuliert. Die Kernergebnisse der Arbeit basieren auf zwei Versuchspersonenstudien. In der ersten Studie wurde untersucht, inwiefern die Gestaltung der virtuellen Realität und die Interaktion mit dem virtuellen Fahrzeug zur Ausprägung eines Präsenzgefühls im Fahrsimulator beitragen kann und welche Auswirkungen dies auf die Bewertung von Anfahrvorgängen in Bezug auf die Kriterien Sportlichkeit, Angenehmheit und Direktheit hat. 76 Versuchspersonen nahmen an der Studie teil. Die Ergebnisse zeigen, dass die präsentierten Reize das Präsenzgefühl und die Bewertung der Anfahrvorgänge nicht signifikant beeinflussen. Die Interaktion hat einen signifikanten Einfluss auf die Involviertheit-Subskala der Präsenz sowie vereinzelt auf die Bewertung der Direktheit. Basierend auf den Ergebnissen kann abgeleitet werden, dass eine immersive Versuchsumgebung mit visuellen, akustischen und haptischen Reizen keine Vorteile gegenüber einer einfachen Versuchsumgebung hinsichtlich der Bewertung von Anfahrvorgängen bietet. In der zweiten Studie wurde ein Applikationsprozess nachgebildet. Der Drehmomentgradient der E-Maschinen des Antriebsstrangmodells diente dabei als Applikationsparameter, der im Fahrsimulator so eingestellt werden sollte, dass eine definierte Anfahrcharakteristik erreicht wird. Als Referenz wurde die Anfahrcharakteristik eines realen Versuchsfahrzeugs verwendet. An der Studie nahmen 12 Versuchspersonen teil. Die Ergebnisse zeigen, dass die final gewählten Applikationsparameter signifikant von dem Anfangswert der Applikation abhängen. Nach der subjektiven Einschätzung der Versuchspersonen sind Fahrsimulatoren gut für die Applikationsaufgabe geeignet. Dies bestätigt das Potenzial von dynamischen Fahrsimulatoren im Hinblick auf den Einsatz in der Antriebsstrangapplikation.