Beschreibung
Wie kann die Natur des Menschen erforscht werden? Literarische Fallgeschichten aus dem 18. Jahrhundert von Johann Wolfgang Goethe bis Jean Paul. Die Vision, der Natur des Menschen in Gestalt eines Kindes ansichtig zu werden, das vollständig isoliert von der Umwelt aufgewachsen ist, treibt die Anthropologie seit Rousseau um und wird bei jedem 'Wolfskind', das auftaucht, aufs neue genährt. Aber nicht in Laboratorien werden diese Versuche umgesetzt, sondern in gedanklichen Experimenten in der Literatur: Die Suche nach dem 'Naturkind' wird in fiktiven Szenarien durchgespielt und ausgewertet. Nicolas Pethes rekonstruiert, wie Wieland, Wezel, Goethe, Kleist, Jean Paul u.a. in literarischen Fallgeschichten ihre Zöglinge den proto-experimentellen Operationen des Isolierens, Irritierens, Observierens, Protokollierens und Interpretierens unterwerfen und dabei die zeitgenössischen anthropologischen Modelle artikulieren und ironisch reflektieren: Die enge Verflechtung des anthropologischen Romans des 18. Jahrhunderts mit der entstehenden experimental-wissenschaftlichen Wissenskultur ist unverkennbar.
Autorenportrait
Nicolas Pethes, geb. 1970, ist Professor für Europäische Literatur und Mediengeschichte an der FernUniversität Hagen. Bisherige Veröffentlichungen: 'Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäres Lexikon' (2001, Mithg.); 'Spektakuläre Experimente' (2004).