Beschreibung
"Man befürchtet im Augenblick nichts mehr als den totalen Bankerott, dem Europa entgegengeht, und vergißt darüber die weit gefährlichere Zahlungsunfähigkeit in geistiger Hinsicht, die vor der Tür steht." Das schreibt Kierkegaard 1836 in seinem Tagebuch, und er beginnt, gegen diesen Konkurs anzuschreiben. Er nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Nirgends hat der Philosoph sich radikaler geäußert als in diesen Notizen, die nie zur Veröffentlichung bestimmt waren. Es sind seine Überlegungen zur Gesellschafts- und Kulturkritik, die hier in einer durchgängig kommentierten Auswahl vorgelegt werden. Daß er sich im Vormärz als Reaktionär zeigt, nimmt seiner Diagnose nichts von ihrer Tiefenschärfe - im Gegenteil. Hellsichtig analysiert er das anbrechende Medienzeitalter, liefert eine schneidende Kritik des Journalismus, und nimmt, ganz im Widerstreit zu den landläufigen Positionen der Konservativen, das Bildungsbürgertum und die Unredlichkeit des akademischen Milieus aufs Korn. Hagemanns Kommentar ist wissenschaftlich fundiert, doch versteht er sich eher als Begleittext, der das Tagebuch in den Kontext des Gesamtwerks stellt und dabei en passant ein Panorama von Kierkegaards Kopenhagen entwirft.