Beschreibung
Die grosse kosmologische Rede des Timaios weist im Vergleich zu ähnlichen Schriften des 4. Jahrhunderts eine Reihe von Eigentümlichkeiten auf, so ihre Einbettung in einen Dialog, den integrierten Götteranruf, den steten Wechsel zwischen und, das Primat der Mündlichkeit vor der Schriftlichkeit und der zurückhaltende Einsatz von Rhetorik- und Stilmitteln. Auch innerhalb des corpus Platonicum erscheint die Rede durch ihren naturphilosophischen Inhalt, durch das zugrunde liegende Prinzip des und durch ihre Länge singulär. Diese Auffälligkeiten lassen sich durch die konsequente Anwendung der philosophischen Rhetorik, der Seelenführung durch Worte (), erklären, die Platon hauptsächlich in den Dialogen Gorgias und Phaidros konzipiert. Als ihre wichtigsten Elemente erweisen sich die mittels eines dialektischen Verfahrens erworbene Kenntnis des wahren Sachverhalts verbunden mit ethischem (Ideen-)Wissen, die korrekte Strukturierung der Rede und die vorgängige Definition zentraler Begriffe sowie die auf den einzelnen Adressaten ausgerichtete Anwendung einer wissenschaftlichen Psychologie und eine kritische Einstellung zum Wert der Schriftlichkeit. Timaios als begnadeter Astronom, politisch erfolgreicher Redner und wahrer Philosoph kann diese Anforderungen fast uneingeschränkt erfüllen. Dies ist, neben dem Inhalt, ein Grund für die enorme und über Jahrtausende dauernde Wirkung seiner Rede.
Autorenportrait
Lucius Hartmann, geb. 1974, hat an der Universität Zürich griechische und lateinische Literatur- und Sprachwissenschaft sowie Mathematik studiert. Er arbeitet als Gymnasiallehrer an der Kantonsschule Zürcher Oberland in Wetzikon und als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Griechische und Lateinische Philologie der Universität Zürich.