Beschreibung
Veränderte die Reformation den Umgang mit Seuchen? Vor allem zur Pest gibt es zahlreiche Quellen aus dem 16. Jahrhundert, die belegen, dass der frühneuzeitliche Protestantismus einerseits an die spätmittelalterliche Tradition anknüpfte, andererseits aber auch neue Akzente setzte. Die Mark Brandenburg kann als Beispiel dienen, wie das Luthertum in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit der Herausforderung durch Epidemien umging und dabei Einsichten der Reformation nutzbar machte. Fast in jedem Jahrzehnt des Reformationsjahrhunderts kam es zu Pestausbrüchen, die die Gemeinschaft und jeden Einzelnen schwer trafen. Beim Umgang mit der Pest war zum einen die Verbindung der medizinischen und politischen Seuchenbekämpfung mit der religiösen Krankheitsbewältigung wichtig; beides gehörte für das frühneuzeitliche Luthertum so eng zusammen, dass man von der "zweierlei Arznei" sprechen kann. Zum anderen war die theologisch überzeugende Deutung von Epidemien wichtig; sie als Gericht Gottes über die eigene Sünde zu begreifen, diese Sünde zu bereuen und sich der Verheißung von Gottes Gnade anzuvertrauen, war für die Menschen damals plausibel. Die Geschichte von Davids Volkszählung (2.Sam. 24, 1.Chron. 21) und Psalm 91 erwiesen sich als wichtige biblische Bezugspunkte für diesen Umgang mit der Pest - ein Umgang, der nicht resignieren ließ, sondern zu Selbstbesinnung und verantwortlichem Handeln anleitete.
Autorenportrait
Geboren 1975; Studium der Ev. Theologie; Promotion und Habilitation an der Humboldt-Universität zu Berlin; Director for German Reformation Studies am Wittenberg Center for Reformation Studies und Privatdozent für Kirchengeschichte, Theologische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin.