Beschreibung
Am Beispiel des Kantons Aargau wird die rechtshistorisch noch wenig erforschte Phase der Strafrechtsgesetzgebung in der Schweiz nach dem Niedergang der Helvetischen Republik 1803 untersucht. Ziel der aargauischen Strafrechtsreform war eine humane und fortschrittliche Strafgesetzgebung, die den Charakter und die Sitten der Kantonsbewohner berücksichtigte und an zeitgemässen Kriminalrechtsgrundsätzen ausgerichtet war. Dabei spielte das österreichische Strafgesetzbuch von 1803 eine bedeutende Rolle, da es die damals aktuellste Kriminalgesetzgebung Europas war und ein enger Bezug zwischen dem Aargau und Österreich bestand. Demgegenüber löste sich der Kanton grundsätzlich vom kriminalpolitischen Liberalismus der Helvetischen Republik und setzte die bereits in den vorangegangenen Jahren aufgekommene Tendenz zu einer repressiveren Handhabung des staatlichen Strafrechts fort. Mit dem Kanton-Aargauischen Gesetzbuch über Kriminal-Verbrechen vom 19. Christmonat 1804 kommt dem Aargau als erstem Kanton der Mediationszeit das Verdienst zu, ein Strafgesetz erlassen zu haben. Das heute noch immer vorherrschende Verständnis, dass die 'Reformen' von 1803 einen Rückfall in die Rechtsstrukturen und -traditionen des Ancien Régime bedeuten, trifft für den Kanton Aargau keineswegs zu, da durchaus eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Reformideen der Aufklärung stattgefunden hat. So war man sich sowohl im Hinblick auf die Ausgestaltung der Strafen als auch des Strafprozesses der Probleme des alten Strafrechts bewusst. Mit dem Aufgreifen der aufklärerischen Anliegen ging jedoch keine grundsätzliche Humanisierung des Strafrechts einher. Dies ist allerdings kein spezifisch aargauisches Phänomen, sondern entspricht dem damals weitverbreiteten utilitaristischen Denken der Aufklärer in Europa.