Beschreibung
Roman Rosdolsky ist ein Schlüsselsatz zum Geschichtsverständnis zu verdanken: 'Jede historische Periode und jede Gesellschaft hat die Theorie, die sie verdient.' Austromarxismus wird jene sehr eigene Theorie- und Handlungswelt genannt, die von der österreichischen Arbeiter*innenbewegung der ausgehenden Habsburgermonarchie und der Zwischenkriegszeit hervorgebracht wurde. Die Strategie: Innerhalb des bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft sollte eine Gegenwelt etabliert und so weit ausgebaut werden, bis über die Eroberung einer Mehrheit im Parlament der Sozialismus hereindämmern würde. Gefördert werden sollte dies durch die Erfassung der gesamten Arbeiter*innenklasse in sozialdemokratischen Parteiorganisationen, eine Propaganda der Tat durch sozialdemokratisch geführte Gemeindeverwaltungen sowie die Heranbildung von 'Kulturmenschen' per Erziehungs- und Bildungsarbeit. Doch der Versuch, die herrschende Klasse zu übertölpeln missriet. Und so ist die Geschichte des Austromarxismus letztlich eine des politisch-stategischen Scheiterns, das eindrucksvolle Einzel-Erfolge und faszinierende Seitenlinien überwölbt. Und sie ist auch die Geschichte eines Parteiführers - Otto Bauer -, der für jede Niederlage flugs eine Erklärung fand, aber für keinen Ernstfall (1914, 1918/19, 1927, 1933, 1934) eine praktikable Handlungsgweise, die sich auf dem selbst proklamierten 'Weg zum Sozialismus' als gangbar erwiesen hätte. Am Beispiel des Austromarxismus - komplettiert wird die Neuauflage des Buches durch ein aktuelles Nachwort des Autors. Behandelt wird der Mythos, der derzeit unter dem Label 'Rotes Wien' ins Werk gesetzt wird - wie der Austromarxismus durch das Vergangenheitsmarketing von Tourismusindustrie, Museumswirtschaft und Politik in ein schiefes Licht gerät. Zur Sprache kommen aktuelle begriffliche und programmatische Anlehnungen an den Austromarxismus sowie als Gustostück: eine knapp 100 Jahre alte austromarxistische Sozialutopie, die im Jahr 2025 spielt.