Beschreibung
Angesichts des hohen Anteils freizeitbedingter Wege am gesamten motorisierten Individualverkehr und der damit verbundenen negativen externen Effekte - insbesondere der Klimaproblematik - untersucht die vorliegende Arbeit die handlungstheoretischen Grundlagen des alltäglichen Verkehrshandelns in der Freizeit. Darauf aufbauend analysiert sie denkbare gesellschaftliche Handlungsstrategien und schätzt deren ökologischen Wirkungspotenziale ab. Zu diesem Zweck wird ein integriertes psychologisch-ökonomisches Handlungsmodell entwickelt und im Rahmen eines Multi-Agenten-Systems als Computersimulation implementiert. Nach den hiermit gewonnenen Ergebnissen haben kombinierte Maßnahmen, die sowohl auf der Ebene des Verkehrsangebots als auch auf der kognitiven Ebene ansetzen, das größte Potenzial für die Verlagerung vom Auto auf umweltverträglichere Verkehrsträger. Der interdisziplinäre Ansatz der Arbeit transferiert und integriert Konzepte und Begriffe aus Ökonomik, Psychologie, Künstlicher Intelligenz und Mobilitätsforschung.
Die in der ökonomisch geprägten Verkehrswissenschaft übliche Beschränkung auf die messbaren Entscheidungskriterien Reisezeit und Kosten und den "subjektiven Faktor" Komfort erscheint für eine realitätsbezogene Analyse des Verkehrshandelns wenig geeignet. Deshalb bezieht diese Arbeit soziale und emotionale Bedürfnisse in die Modellierung ein und trägt damit einer von der interdisziplinär orientierten Mobilitätsforschung erhobenen Forderung Rechnung. Wegen der relativ geringen persönlichen Bedeutung alltäglicher Verkehrsmittelentscheidungen spielt in dem Handlungsmodell beschränkt rationales - insbesondere routinisiertes - Handeln eine zentrale Rolle.
Das hier entwickelte Modell weist im Vergleich zu neoklassischen Modellen eine erheblich größere Komplexität auf; dafür leistet es entscheidend mehr, indem es qualitativ neue Aspekte und Phänomene (zeitliche Dynamik von Routineverhalten, verzögerte Reaktion auf und unbeabsichtigte Nebeneffekte von Maßnahmen, Heterogenität und Interaktion der Akteure) einer mikrofundierten Analyse überhaupt erst zugänglich macht: Wie entwickelt sich das Verkehrsgeschehen in der Zeit unter dem Einfluss äußerer Eingriffe und seiner Eigendynamik?