Beschreibung
Ich übergebe Euch hier eine Jugendschrift mit dem Wunsche, daß sie Euch willkommen seyn möge. Gleichwohl geschieht es mit einiger Verzagtheit, gleich dem Wanderer, der sicher nicht mit zuversichtlicher Ruhe einen Weg gehet, auf dem er so viele irre gegangen weiß, die vor ihm diese Strasse gewandelt. Möge ich wenigstens von der richtigen Strasse nicht zu ferne seyn, wie die Meisten, die sich mit der Jugendschriftstellerey befassen. Was man gewöhnlich gegen Kindermährchen sagt und sagen kann - ich weiß es schon. Aber dennoch steht meine Ueberzeugung fest, daß die Jugend Mährchen haben m u ß. Mährchen-Poesie ist möchte ich sagen, die Poesie der Kindheit des poetischen Lebensalters. Das Interesse, das Kinder daran nehmen, ist mein Beweis dafür. Und ich möchte behaupten, daß ein Mährchen von dem Aschenpittchen, dem Lebkuchenhäuschen, dem Schneewittchen u.d. gl. eben so gut (wo nicht besser) in eine gute Erziehung eingreifet, als die hundert und aber hundert geglätteten Erzählungen von dem e i t e l n J u l c h e n, dem w i l d e n L o r c h e n, dem l e i c h t s i n n i g e n K a r l, dem g u t h e r z i g e n L o t t c h e n, und wie sie sonst betitelt seyn mögen.
Autorenportrait
Albert Ludwig Grimm (oft fälschlicherweise Ludewig aufgrund eines Druckfehlers in der Erstausgabe seiner Kindermährchen; * 19. Juli 1786 in Schluchtern; gestorben 1. Dezember 1872 in Baden-Baden) war ein deutscher Schriftsteller, Pädagoge und Politiker. Wie die mit ihm nicht verwandten Brüder Jacob und Wilhelm Grimm lieferte er für Achim von Arnims und Clemens Brentanos Sammlung Des Knaben Wunderhorn Beiträge und begeisterte sich für das Sammeln volkstümlicher Überlieferungen.