Beschreibung
Ein Sonntag mitten in der Ernte wäre eigentlich zum Ausruhen gut gewesen, denn es lag viel Arbeit hinter Mensch und Vieh, und nicht weniger stand bevor. Wenn man durch Weidach ging, breitete sich auch diese feiertägliche Rast wohltuend um die Bauernhöfe aus; ein altes Weibl saß auf der Hausbank und stopfte an einem blitzblauen Socken herum, daneben stand die Junge im Putz bei der Nachbarin; sie hatte sich nach dem Rosenkranz noch nicht ausgezogen, weil sie ein langer, ausgiebiger Ratsch aufhielt. In den Ställen herrschte die friedlichste Stille; wer so einem Ochsen zuschaute, wie er auf dem Stroh lag und nachdenklich wiederkäute, der konnte glauben, daß das Vieh den Genuß des Ausrastens am besten verstand. Jedenfalls viel besser wie die Bauern, die in der rauchigen Wirtsstube hockten und soviel tranken, daß ihnen die Frühstunde am Montag die wehleidigste der ganzen Woche werden mußte. Die jungen Burschen und Knechte lärmten in der Kegelstatt neben dem Wirtshaus. Vor einer die Kugel auf den Laden setzte, fluchte er; warf er wenig Kegel um, fluchte er, und warf er viele um, fluchte er auch. Ein paar Mädeln gingen auf der Straße, steckten die Köpfe zusammen und taten so, als bekümmerten sie sich kein bissel um die Burschenschaft, obgleich sie bloß derentwegen vorbeischlichen.
Autorenportrait
Ludwig Thoma (* 21. Januar 1867 in Oberammergau; gestorben 26. August 1921 in Tegernsee) war ein deutscher Schriftsteller und Rechtsanwalt, der durch seine ebenso realistischen wie satirischen Schilderungen des bayerischen Alltags und der politischen Geschehnisse seiner Zeit populär wurde. Aufgrund der reaktionären und antisemitischen Veröffentlichungen seiner letzten Lebensjahre wird er seit einigen Jahren zunehmend kritisch betrachtet.