Beschreibung
Seit dem Mittelalter spielte die deutschsprachige Minderheit im Königreich Ungarn eine zentrale Rolle im wirtschaftlichen und kulturellen Leben des Landes. Frank Bauer analysiert in seiner kulturgeschichtlichen Studie die Darstellung dieser Bevölkerungsgruppe in Reiseberichten des 19. Jahrhunderts. Welche Topoi und Narrative verbanden deren Autoren mit den Deutschungarn? Welchen Konjunkturen und Zäsuren waren diese Zuschreibungen unterworfen? Wie wurden sie räumlich auf einer Mental Map verortet? Frank Bauer nimmt Aushandlungsprozesse in den Blick, in denen die Autoren den "kulturellen Nenner" der Deutschungarn suchten. Er zeigt zudem, wie diese von den in Ungarn ansässigen Magyaren, Rumänen und Slowaken abgegrenzt wurden. Dabei weist er nach, dass die den Deutschungarn zugeschriebenen Tugenden weitgehend deckungsgleich waren mit dem (Selbst-)Bild des deutschen Bürgertums jener Zeit und in einer engen Beziehung zu der sich entwickelnden kolonialen Debatte im Deutschen Reich standen.
Autorenportrait
FRANK BAUER, geboren 1986 in Halberstadt, studierte zwischen 2006 und 2012 Neuere und Neueste Geschichte, Kunstgeschichte und Mittelalterliche Geschichte an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Mit der Unterstützung der Landesgraduiertenförderung Baden-Württemberg promovierte er sich 2015 mit der vorliegenden Studie. Er ist derzeit als Leiter des Stadtarchivs sowie Kulturamtsleiter in Kirchheim unter Teck tätig.
Inhalt
Zur Reihe Kulturgeschichte des Politischen 9
Zum Band 10
Danksagung 14
1. Einleitung 17
1.1 Quellenkritik 29
1.1.1 Die Reiseschriftsteller 31
1.1.2 Die Zeitschriften 44
1.2 Bürgerlichkeit und Reise – eine symbiotische Beziehung 50
1.2.1 Reiseberichte als Spiegel der bürgerlichen Öffentlichkeit 55
1.2.2 Bürgerliches Reisen als Kulturpraxis 57
2. Zwischen Hoffen und Bangen – über das ‚deutsche Wesen‘ in Ungarn 63
2.1 Deutsch sein in Ungarn – historischer Abriss und Forschungsgeschichte 63
2.1.1 Das ,Deutschtum‘ in Ungarn im 19. Jahrhundert 66
2.1.2 Zwischen Assimilation und Abwehr – Interaktionsmuster im vorindustriellen Ungarn 73
2.1.3 Forschungsgeschichte 80
2.2 Die Deutschen als ,Kulturbringer‘ 84
2.2.1 Zuversicht und Manifestation – die Darstellung der deutschen ‚Kulturleistung‘ bei Kohl und Quitzmann 87
2.2.2 Ein kultureller Imperialismus 92
2.2.3 Die Militärgrenze als ein Zivilisierungslabor 94?
2.3 Die bedrohte Mission 97
2.3.1 Die Magyarisierung und ihre Folgen 97
2.3.2 Radikalisierung der Debatte 101
2.3.3 Die Beseitigung der Nationsuniversität 108
2.3.4 Die Banater Schwaben und die Zipser Sachsen – warnende Beispiele 114
2.3.5 Besinnung auf die Vergangenheit – ein Exkurs 120
2.4 Die Tugenden der Deutschungarn – das bürgerliche Leben der Bauern 125
2.4.1 Intelligenz und Wissen 125
2.4.2 Fleiß 129
2.4.3 Ruhe und Gemütlichkeit 134
2.4.4 Ordnung, Reinlichkeit und Sittlichkeit 137
2.4.5 Das demokratische Volk – Quitzmann und die Revolution 141
2.4.6 Deutsche Tugenden als bürgerliche Tugenden – eine Zusammenfassung 143
2.5 Die ‚dunkle Seite‘ der Darstellung der Deutschungarn 145
2.5.1 Zivilisations- und Kulturkritik 145
2.5.2 Stillstand, Resignation und Isolation 154
2.5.3 Mangelndes politisches Engagement und Partikularismus 156
2.6 Zwischenfazit 158
3. Imaginäre Städte und Landschaften – die räumliche Verortung Ungarns und seiner deutschsprachigen Minderheiten 162
3.1 Spatial Turn und Mental Map – zur Bedeutung des Raumes in der Geschichtswissenschaft 162
3.2 Ungarn – ein Zwischenraum und Land der Übergänge 165
3.2.1 Regionale Binnengrenzen und Spezifika 170
3.2.2 Grenzen der Kultur – wo begann der Orient? 179
3.2.3 Das Land, in dem Milch und Honig fließt – Ungarn als protokolonialer Raum 188
3.3 Landschaften als soziokulturelle Phänomene 200
3.3.1 Wildnis, Paradies, Steppe – ungarische Landschaften im Verhältnis zum bürgerlichen Zeitgeschmack 202
3.4 Die Nationalisierung von Räumen 210
3.4.1 Die Deutschen und der Wald 213
3.4.2 Deutsche Städte in Ungarn? 214
3.4.3 Eine ,deutsche‘ Landschaft in Siebenbürgen und im Banat? 228
3.5 Zwischenfazit 235
4. D ie Anderen – zur Darstellung von nichtdeutschen Sprachgemeinschaften im Königreich Ungarn 237
4.1 Stereotype, Vorurteile und Gleichzeitigkeit – zum Erkenntnisgewinn einer historischen Stereotypenforschung 237
4.1.1 Stereotype, Vorurteile und der Andere – eine begriffliche Annäherung 237
4.1.2 Ungarn im Spiegel der Stereotypenforschung 244
4.2 Die Magyaren 248
4.2.1 Die magyarische Gesellschaft und kulturelle Strömungen 248
4.2.2 Das stolze Reitervolk aus dem Osten – positive Rezeption 257
4.2.3 Das wilde Pusztenleben 262
4.2.4 Die Folgen der Magyarisierung 265
4.3 Die Rumänen 270
4.3.1 Historische Entwicklung und Grundlagen 270
4.3.2 Urtümliche oder irrtümliche Wilde? 275
4.3.3 Die Schönheit der Frauen 283
4.4 Die Slowaken 285
4.4.1 Historische Entwicklung und Grundlagen 285
4.4.2 Die Slowaken – Eine Bedrohung? 292
4.4.3 Verbündete in der Not? 296
4.5 Zwischenfazit – zwischen ‚Zivilisierung‘ und Ursprünglichkeit 301
5. Schlussbetrachtung 304
6. Quellen- und Literaturverzeichnis 312
7. Tabellen 352
8. Abbildungsverzeichnis 362