Beschreibung
Der Mann hat gelebt, gesoffen, gefroren, gehungert, gefressen, geschrien, geliebt, gehasst, der Mann hat gelebt. Er wurde gefeiert, verrissen, verachtet, bewundert, hat gewonnen, verloren, gewonnen und wieder verloren, ist verzweifelt, versackt in Schwärze und Wut, hat gelacht und gebrüllt und das Altern verflucht. Und sich gesehnt nach den Vögeln am Himmel, den schneebedeckten Landschaften und stillen Gärten, nach Brot, Kuchen und rauchigem Speck und dunklen Augen, die ihn ansehen, wie ihn noch kein Mensch je ansah ...
Der Mann hat gelebt, und fast hat er seine Träume vergessen.
Da finden ihn die zwei Augen, plötzlich aufgeschlagen und klar. Und mit ihnen kehren die Träume zurück, als hätten sie sich ängstlich im Finstern versteckt und nur auf diesen Moment gewartet. Und plötzlich weiß er, was war, begreift, was geschieht, und mit klopfendem Herzen setzt er sich hin und singt. Es sind die schönsten Lieder, die ihm in den Sinn kommen, frei sind sie, leicht, gerade und tief, und ihre Melodien könnten nicht anders sein. Lieder an zwei dunkle Augen, in denen etwas Unfassbares leuchtet ... Und er lacht. Aus ganzem Herzen.
Ich habe Christian Redl das erste Mal 1985 auf der Bühne des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg gesehen. Der kantige Kopf, die rauchige Stimme und eine Kraft auf der Bühne, die ans Gewalttätige grenzte. Ich war tief beeindruckt. Wenig später spielten wir zusammen in Peter Zadeks legendärer „Lulu“ Inszenierung. Wir wurden Freunde und sind es geblieben. Immer wieder war ich Zeuge seines Kampfes gegen die Nacht, die er in sich trug und die ihn nicht losließ. Immer wieder hat er versucht, seine Dämonen im Spiel mit Gedichten und Liedern zu bannen. Zeitweilig glaubte ich, er unterliegt.
Und dann wurde dieser schwere Mensch auf einmal leicht, er hatte sich verliebt, hörte auf, mit sich zu hadern und ging auf das Leben los als einer, der es plötzlich verstand. Und was ihm immer noch wehtat, verwandelte er in Schatten und Licht, die einander poetisch umspielen.
Christian Redl hat eine Schallplatte mit elf Liedern aufgenommen, die verstörend und schön sind, Lieder, in denen das Blut der Seele fließt: Sehnsucht.
(Ulrich Tukur)