Beschreibung
Der wechselseitige Einfluss von Informationen/Wissen/Erkenntnissen und Freiheit (und damit Demokratie) in modernen, hochkomplexen Gesellschaften wie auch der Wandel ihrer Beziehungen im Laufe der Moderne ist eines der faszinierendsten Themen unseres Zeitalters. Diese Fragestellung bedarf immer wieder der systematischen Untersuchung. Denn beim Verhältnis von Wissen und Freiheit/Demokratie handelt es sich um keine einmal festgeschriebene, statische Beziehung, sondern um eine historisch-dynamische Relation, die einerseits von der Entwicklung der Wissensformen und der relevanten Freiheiten mitbestimmt wird (welche Freiheit zählt?) und andererseits von den neuartigen Problemen und Herausforderungen der Demokratie und der rapide anwachsenden wissenschaftlichen Erkenntnisse in gegenwärtigen Gesellschaften. Wissen, oder besser: knowledgeability ('Wissenheit' im Sinne von erworbenem Wissensbesitz) kann als Ressource des Widerstandes der angeblich Schwachen der Gesellschaft fungieren, beispielsweise gegen staatliche Einrichtungen, und nicht nur, wie häufiger befürchtet, als Basis für den Machterhalt der Mächtigen. Diese Studie befasst sich mit der Macht der Bürger in modernen Gesellschaften - und zwar abgesehen von der Macht der Wähler, die in ihrem Wahlverhalten Ausdruck findet. Die zentralen Themen lassen sich am besten in einer Reihe von Problemfeldern und Fragen zusammenfassen: Die Genealogie der Beziehungen von Wissen und Freiheiten; Verbessert das Wissen der Zivilgesellschaft die Bedingungen der Freiheit in einer Gesellschaft? Gibt es Spannungen zwischen Freiheit und Wissen und worin bestehen Welche konkurrierende Erklärungen von Demokratieprozessen gibt es? Sollte Wissen der operative Faktor sein? Oder sollte es knowledgeability sein? Wie sieht der soziohistorische Kontext moderner Demokratien aus und welche Rolle spielen darin Wissen und Freiheit? Kurz: Unterstützt das Zusammenspiel von Wissen und demokratischem Verhalten das unbezweifelbare Wachstum und die Durchsetzung liberaler politischer Systeme in den vergangenen Jahrzehnten, sodass man mit Recht sagen kann, die Freiheit sei eine Tochter des Wissens? Einleitung Zur Genealogie der Beziehung von Wissen und Freiheit Wissen stützt die Demokratie Die Spannungen zwischen Demokratie und Freiheit Konkurrierende Erklärungen von Demokratieprozessen Warum sollte Wissen der unmittelbar operative Faktor sein? Knowledgeability Der soziohistorische Kontext moderner Demokratien 1. Auf Begriffe kommen Wissen: Fähigkeit zum Handeln? Die Transformation von Wissen in Prozesse und Dinge Welches Wissen ist gemeint, und warum? Information und Wissen Warum sollten Wissen oder Informationen politisches Kapital sein? Demokratie: Wer regiert? Freiheit: Welche Freiheiten sind gemeint? Freiheit von und Freiheit für Politische Freiheiten Wirtschaftliche Freiheiten Zivile oder soziale Freiheiten Das Problem der Macht Exkurs: Wieviel Wissen braucht die Demokratie, und wie teuer darf es sein? 2. Erklärungen der Bedingungen und der Tragfähigkeit von Freiheit Wissen und Freiheiten Die Rolle der formalen Bildung (Schulbesuch) Das soziale Phänomen der knowledgeability Knowledgeability als ein Bündel sozialer Kompetenzen Zivilgesellschaftliche Organisationen Die politische Kultur Die Rolle der Medien Der Nationalstaat und die Demokratie Zwischenstaatliche Netzwerke 3. Wirtschaftsordnungen machen Freiheit (un)möglich Die Rolle des Wohlstands Reichtum als Demokratiebasis Wirtschaftswachstum und demokratische Gesellschaften Ungleichheit und Demokratie Wirtschaftliches Wohlergehen und Wissen 4. Scientia est libertas Die Ursprünge und die Hoffnungen der Wissenschaft Die Wissenschaft als Modell für die Demokratie Das Ethos der Wissenschaft und die Demokratie Sind (wissenschaftliche) Erkenntnisse und Demokratie kompatibel? Der Wiener Kreis John Dewey: Wissenschaft und Demokratie Lippmann, Dewey und demokratisches Regiere
Autorenportrait
Nico Stehr, seit 2004 Karl-Mannheim Lehrstuhl für Kulturwissenschaften an der Zeppelin Universität Friedrichshafen. Veröffentlichungen bei Velbrück Wissenschaft: Die Zerbrechlichkeit moderner Gesell-schaften. Die Stagnation der Macht und die Chancen des Individuums (2000); Expertenwissen. Die Kultur und die Macht von Experten, Beratern und Ratgebern (mit Rainer Grundmann) (2010).