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journal culinaire. Kultur und Wissenschaft des Essens

No. 38: Kulturpflanzenentwicklung

Wurzer-Berger, Martin / Vilgis, Thomas A.
Erscheinungsjahr: 2024
CHF 24,00
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783941121386
Sprache: Deutsch
Umfang: 156
Format (T/L/B): 29.0 x 17.0 cm

Beschreibung

Auf ihrem langen Weg vom Schwarzwald ins Schwarze Meer durch- schneidet die Donau nicht weniger als fünf Gebirge. »Eisernes Tor« wird der landschaftlich dramatische, deutlich über einhundert Kilometer lange Karpaten- Durchbruch der Donau genannt. Die Verengung des kilometerbreiten Stroms auf bis unter 150 Meter bedeutet eine gewaltige Beschleunigung der Wassermassen, die sich über Katarakte abwärts wälzen. Erst in den 60er- und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts beruhigte der Bau eines Stau- und Kraftwerks die Situation. Auf halber Strecke des Engtals, am südlichen Prallhang des Flusses in Höhe einer der mächtigsten Stromschnellen, entwickelte sich ab 9000 v. Chr. die Siedlung Lepenski Vir im heutigen Serbien. Sie liegt auf einer Terrasse 60 bis 70 Meter über dem Wasser; auf der gegenüberliegenden Stromseite steigen die Berge bis auf eine Höhe von 300 Metern und mehr an. Das Mikroklima ist mild-feucht und zeichnet sich durch geringe Temperaturschwankungen aus. Der Ort hat es zu einiger Bekanntheit gebracht im Hinblick auf die epochale Entwicklung von Jägern – hier Fischern – und Sammlern hin zu Landwirtschaft betreibenden dörflichen Gemeinschaften. Die sogenannte Neolithisierung Südost- und Mitteleuropas erfolgte nach allgemeinem Verständnis nicht aus den mesolithischen Gruppen heraus. Es waren zahlreiche migrierende Gruppen aus dem Ägäischen Becken, die im 7. bis 6. Jahrtausend v. Chr. die Domestikation von Pflanzen und Tieren sowie dörfliche Kultur gleichermaßen mit sich führten. Lange koexistierten sie neben den Jägern und Sammlern. Das schien in Lepenski Vir anders verlaufen zu sein. In der Wissenschaft etablierte sich die Vermutung, dass sich an diesem Ort der Übergang vom Mesolithikum zum Neolithikum direkt vollzogen habe, indem die Fischer die Lebensweise und Praxis der Zuwanderer übernommen hätten. Maxime Brami aus der Palaeogenetik-Gruppe von Joachim Burger am Institut für Organismische und Molekulare Evolutionsbiologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist mit seinen Forscherkolleginnen vor knapp zwei Jahren zu einer differenzierenden Interpretation gekommen. Mithilfe antiker Genome und archäologischer und isotopischer Belege verifizierten sie, dass es innerhalb zweier Generationen zu einer genetischen Vermischung der Bauern und Jäger kam. Die außergewöhnliche Bedeutung von Lepenski Vir wird also bestätigt. Doch Hausbau – und damit Dorfstruktur – und Ackerbau bleiben nach den Untersuchungen weiterhin nur den Bauern zugerechnet. Allerdings und ausschließlich an diesem Ort dokumentierbar übernahmen die ägäischen Bauern neben Bestattungsgewohnheiten auch Ernährungsgewohnheiten der Fischer. Umgekehrt gibt es kaum Hinweise, dass die Fischer dieser Zeit landwirtschaftliche Produkte konsumiert hätten. Das ist eine – zumindest mich – faszinierende Momentaufnahme aus einem zeitlich unglaublich gedehnten Prozess, in dem die Menschheit die naturgegebenen Pflanzen und Tiere domestiziert hat, um ihre Ernährung qualitativ zu steigern und verlässlich zu gewährleisten. Das Journal Culinaire No. 38 Kulturpflanzenentwicklung versucht, die großen Bögen im Blick auf die Pflanzenzucht nachzuzeichnen. Die Weinrebe, der Mais, der Roggen und das Kohlgemüse sind dafür instruktive Beispiele mit nicht wenigen Überraschungen. Den einzelnen Pflanzen vorgeschaltet wird ein konzentrierter Beitrag über die Absichten und die Praxis, unter denen »Züchtungen« über die Zeitläufte vonstatten gingen. Von vergleichbarer Bedeutung ist der abschließende Artikel, der kritisch verschärfende Einsichten über die Zukunft der Zuchtmethoden vermittelt, die unter »Gentechnik und neue genomische Verfahren« verhandelt werden. Dass der Rückweg in die Wildpflanzenzeit im Einzelfall offengehalten wird, zeigt ein kleines Projekt zur Erhaltung genetischer Ressourcen am Beispiel der Wildselleriearten. Es erscheint als Zeichen von Wertschätzung, sich gelegentlich der großen Linien zu vergewissern – bevor der Blick sich zum wiederholten Mal darauf fokussiert, welche Pflanzenproteine einem ohnehin von sich aus proteinreichen Magerquark zur scheinbaren Optimierung zugesetzt werden.

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