Beschreibung
Die vielgestaltige Romanproduktion im demokratischen Spanien der vergangenen drei Jahrzehnte mag Leser, Literaturwissenschaftler, Verleger und Buchhändler gleichermaßen begeistern. Mit der politischen und wirtschaftlichen Wandlung Spaniens zu einem demokratischen Staat geht seit 1975 eine kulturelle Blüte einher, die in Deutschland, wo das Spanische erst seit den neunziger Jahren im Begriff ist, sich als zweite große Weltverkehrssprache hinter dem Englischen an Schulen, Universitäten und Volkshochschulen zu etablieren, noch nicht in ihrem ganzen Ausmaß erfaßt worden ist. Der Wegfall der Zensur, das plötzliche Auftreten zuvor tabuisierter Genres (Kriminalroman, erotischer Roman, politischer Roman etc.), die aggressiven Mechanismen eines kommerzialisierten, viersprachigen Literaturbetriebs mit seinen nicht unumstrittenen, aber jedenfalls immer medienwirksamen Literaturpreisen, die schnellen, oft ebenso erfolgreichen wie problematischen Romanverfilmungen, das neue offizielle Verständnis, spanische Nationalliteratur als in den vier Sprachen Kastilisch, Katalanisch, Galicisch und Baskisch verfaßte Literatur zu begreifen, nachdem unter der Diktatur jahrzehntelang versucht worden war, nur die kastilische Literatur als Nationalliteratur auszugeben: All dies bietet vielfältige Anlässe für Meinungsstreit und Geschmacksbildung durch intensive und ausgedehnte Lektüren. Für Literaturwissenschaftler öffnet sich - bei allfälliger Begeisterung - ein weites Aufgabenfeld mit einigen Herausforderungen. Allein die Quantität der Romane und die Sprachenvielfalt überfordern das Lesevermögen einzelner Wissenschaftler. Qualitäten zu bestimmen, gelingt jedoch nur im Vergleich der Einzelerscheinungen, mögen Sie auch in der Summe für den einzelnen unüberschaubar sein. Der spanische Buchmarkt und die internationale Rezeption sind außer durch Vielfalt auch durch erstaunliche Erfolge einzelner Bestseller gekennzeichnet. Zudem kommt die plurikulturelle Realität Spaniens gerade in der Buchproduktion zum Ausdruck, so daß Romane in Spanien nicht nur kastilischsprachige, sondern eben auch, ganz im Sinne des Selbstverständnisses des modernen Spanien, katalanische, galicische und baskische Gattungsbeispiele umfaßt. Alles in allem ist es ein ideales Betätigungsfeld für die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern mit unterschiedlichen Leseerfahrungen sowie divergierenden theoretischen und thematischen Interessen. Wiewohl es seitens der Herausgeber und Mitarbeiter nicht beabsichtigt ist, einen Kanon zu erstellen, fügen sich die Beiträge doch in eine permanente Arbeit des Sichtens, Vermittelns und Bewertens. In der deutschen Hispanistik haben diese Bestrebungen schon seit mehr als zehn Jahren zu orientierenden Arbeiten geführt, auf die wir hier gerne verweisen. Eine wichtige Orientierung gibt der von Dieter Ingenschay und Hans-Jörg Neuschäfer herausgegebene Sammelband Aufbrüche: die Literatur Spaniens nach 1975, der auch auf kastilisch vorliegt. Eine Vielzahl nützlicher Einzelinterpretationen enthalten die beiden Sammelbände La dulce mentira de la ficción: ensayos sobre narrativa española actual. Einen Versuch vollständiger Bestandsaufnahme und erster Klassifizierung der Romanproduktion seit etwa 1960 hat in Spanien María Dolores de Asís Garrote unternommen. Ein aktueller Essay über den spanischen Literaturbetrieb stammt von Hans-Jörg Neuschäfer. Die im vorliegenden Band gesammelten Beiträge fügen sich in diesen Kontext und schreiben ihn fort. Es wurden dafür keine 'kanonisierenden' Vorgaben gemacht. Die Beiträger haben aus ihrer eigenen Lektüreerfahrung das für sie Aufschlußreiche vorschlagen können. Das Ergebnis ist ein erster Band. Die eingegangenen Angebote und das lebhafte Echo haben die Herausgeber veranlaßt, Nachfolgebände nicht nur für den Zeitraum 1975-2000, sondern auch für die Jahre 2001 fortfolgende zu planen, für die bereits eine Reihe von Beiträgen - auch zu baskischen Romanen - vorliegt. Zur Mitarbeit wird an dieser Stelle ausdrücklich aufgerufen; Intere