Beschreibung
Eugène Scribe (1791-1861) ist einer der populärsten Dramatiker und Librettisten Frankreichs. Schon zu seinen Lebzeiten war er jedoch eine in literarischen Kreisen umstrittene Persönlichkeit, die seither in der Forschung nur am Rande erwähnt oder mit einem Hinweis auf seine angebliche “Fließbandproduktion” versehen wurde. Seit Mitte der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts befasst sich die Musikwissenschaft im Zuge der Renaissance der grand opéra- und Meyerbeer-Forschung verstärkt mit dem Librettisten Scribe, und der Dramatiker Scribe rückt wieder mehr in das Bewusstsein der Romanistik; das Schaffen des Romanciers Scribe wurde hingegen bisher weitgehend ausgeklammert.
Die von Naoka Iki vorgelegte Münchner Dissertation präsentiert nun erstmals unter engem Rekurs auf Scribes dramaturgische Invention der pièce bien faite einen neuen Aspekt innerhalb der literarischen Produktion eines der erfolgreichsten französischen Autoren der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, nämlich seine Feuilletonromane. In Anlehnung an die Forschungen von Hans-Jörg Neuschäfer und Klaus Peter Walter, die sich seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts um eine Anerkennung des Feuilletonromans als „Höhenkammliteratur“ bemühen, zeigt die Studie bei exemplarischem Verweis auf Scribes Theater- und Librettowerke, wie ingeniös er seine Dramaturgie der pièce bien faite, deren Charakteristika im übrigen eine ideale Ergänzung zu den makrostrukturellen Anforderungen an die Schnitttechnik des Feuilletonromans bieten, im Laufe seines Schaffens zum roman-feuilleton bien fait vervollkommnete.
Nach dem theoretisch ausgerichteten ersten Teil, in dem die Autorin die Affinität von Feuilletonroman und pièce bien faite aufzeigt, wird die konsequente Umsetzung der Schemata der pièce bien faite zunächst an einem Beispiel stellvertretend für die Scribeschen Novellen dargelegt und im Hauptteil an den Scribeschen Feuilletonromanen herausgearbeitet.