Beschreibung
„Was einst die Elemente der Musik einigte, der Gestus, ist selber verfügbar geworden“, schreibt Dieter Schnebel in seiner Dissertationsschrift Komponierter Gestus im Werk Arnold Schönbergs. Darin erläutert Schnebel den Begriff der musikalischen Geste als ein außer-musikalisches Gestaltungsprinzip, mit dessen Hilfe die traditionelle Musik vom Generalbaßzeitalter bis zu Schönberg auf ihr Ausdruckspotential hin gelesen werden kann. Die Geste ist bei Schnebel musikalisches Kommunikations- und Ausdrucksmittel, bzw. Medium, das die Körpergebundenheit von musikalischen Prozessen, Entwicklungen und Tendenzen freilegt.
Als musikalisches Material komponiert Dieter Schnebel Gesten in vielen seiner Stücke als körperliche Bewegung in Raum und Zeit und kann so ihre Potentiale im musikalischen Theater und darüber hinaus entfalten. Die Geste will etwas sagen. – Wenn aber etwas über ihre Aussagekraft, nämlich über ihre kommunikative Fähigkeit gesagt werden soll, so muß sie im Spannungsfeld von Authentizität und Codierung gesehen werden. Einerseits scheint der Körper ein „natürliches“, unmittelbares Medium und die Geste ein nicht arbiträres Zeichen zu sein, andererseits wird der Körper aber immer schon durch den Diskurs, in den er gestellt wird, kodifiziert.
Die musikalische Geste wird von Schnebel als kompositorisches Material mit den musikalischen Parametern Raum, Zeit, Dynamik auskomponiert. Gestische Musik wiederum verweist als metaphorischer Begriff auf etwas der Musik Äußerliches. Allgemeine Eigenschaften der Geste als Aktion (Geste) und als Haltung (Gestus), gestische Musik sowie musikalische Gestik sind hier angesprochen und werden beispielhaft an zwei Kompositionen Schnebels untersucht.