Beschreibung
Stéphane Mallarmés Gedicht „Un coup de dés jamais n’ abolira le hasard“ aus dem Jahr 1897 gilt als einer der Kardinaltexte der Moderne. Dessen hervorstechende typographische Gestaltung, die unter Verwendung verschiedener Schriftarten, -größen und -schnitte Text auf eine bis dahin nicht gekannte Weise am Papier positioniert, rückte erstmals konsequent die Bildqualitäten des gedruckten Wortes ins Zentrum der Betrachtung. Inspiriert von solch konstellativer Präsentationsweise machte sich Felix Philipp Ingold an eine frei improvisierende Nachdichtung des französischen „Würfelwurfs“ und an dessen Fortschreibung in deutscher Sprache. Sein in 15 Abschnitte gegliedertes Langgedicht, das reich ist an gedanklichen und motivlichen Allusionen, setzt einen expansiven Rezeptionsprozess in Gang. Die semantische Offenheit von Mallarmés Sprachkunstwerk im Ohr spielt Ingold virtuos Wort- und Satzmaterial aus, das Prozesse der Sprachverarbeitung und poetischer Sinnkonstruktion widerspiegelt. „Fortschrift“ ist ein Palimpsest, das die Bedingungen seiner eigenen Sinnentfaltung, aber auch Fragen von Originalität und künstlerischer Nachahmung unmittelbar im dichterischen Vollzug reflektiert. Ein irisierendes Sprachkunstwerk eines Autors, der mit einem vielfach bearbeiteten Monument der Moderne höchst Originelles anzufangen weiß.