Beschreibung
Es ist eine sehr deutsche wahnwitzige Skandalkarriere: Hanns Heinz Ewers begann als schöngeistiger Dandy rasant mit Oscar Wilde, wurde mit seinen Romanen und Erzählungen als deutscher Edgar Allan Poe gehandelt, war ein bahnbrechender Begründer des Autorenfilms - und beendete sein literarisches Leben mit Adolf Hitler. Kaum ein Autor war in seinem exzentrischen Kunstschaffen zwischen 1900 und 1932 international so berühmt und ist heute so vergessen wie der 1871 in Düsseldorf geborene Hanns Heinz Ewers. Obwohl er mit seiner meisterhaften Prosa unverkennbare Spuren in der Moderne hinterlassen hat und sein Roman Alraune zum Welterfolg wurde, wird er in der Literaturgeschichtsschreibung kaum beachtet. Er lebte seine Exaltationen zwischen Religion, Drogen und Politik, reiste um die Welt und pflegte Freundschaften mit so unterschiedlichen Geistern wie Erich Mühsam, Else Lasker-Schüler oder Erich Rathenau. Diese Erzählungsauswahl aus dem enormen Oeuvre - vor allem zwischen 1907 und 1922 erschienen - schillert zwischen Schwarzer Romantik und bildmagischer Avantgarde. Hanns Heinz Ewers' Prosa magnetisiert mit großer stilistischer Varianz - der kühle Stil fesselt; die Leidenschaft für die Abgründe der menschlichen Psyche, die entgrenzende Erotik und die Schilderung von Spielarten des Todes provozieren. Aber er wird auch zum bizarr unheimlichen Doppelgänger - was das Vergessen seines Werks erklärlich macht. Hanns Heinz Ewers lernt Röhm, Goebbels und Hitler kennen, wird Mitglied der NSDAP und gilt zugleich als dekadent; er schätzt und verteidigt die Juden, übersetzt den Zionisten Israel Zangwil, arbeitet mit Magnus Hirschfeld und schreibt in Hitlers Auftrag ein Horst-Wessel-Buch, das missfällt und dessen Verfilmung sogleich verboten wird. Hanns Heinz Ewers' Bücher wurden 1933 verbrannt. Er konnte untertauchen und starb 1943 in Berlin. Marcus Born ist Literaturwissenschaftler und Philosoph, der über Nietzsche promoviert hat, über den er veröffentlicht und zurzeit auch an der Universität in Freiburg forscht. Sven Brömsel ist Germanist, Philosoph und Schauspieler, arbeitet zurzeit über Intellektuelle jüdischer Herkunft und hat vor allem zur Literatur des frühen 20. Jahrhunderts publiziert.
Autorenportrait
Es kann 'für ein künstlerisches Schaffen kaum einen wichtigeren Faktor geben als den durch ein Narkotikum hervorgerufenen Rausch' H.H. EwersHanns Heinz Ewers, 1871-1943, war ein skandalumwitterter Bestsellerautor. Bevor er anfing zu schreiben, studierte er Jura; seine ersten Veröffentlichungen erfolgten in der anarchistischen Zeitschrift Der arme Teufel und in der allerersten Homosexuellen-Zeitschrift Der Eigene, er schrieb Texte für das Berliner Kabarett Überbrettl, heiratete und ging seiner Frau für zwei Jahre nach Capri, wo er der Freikörperkultur frönte. Ab 1904 folgten Reisen um die Welt, nach Südamerika und Indien, gesponsort von der Schifffahrtlinie Hapag, die für die Nennung ihres Namens in seinen Romanen die Reisekosten übernahm: einer der frühen Fälle von Product Placement in der Literatur.Seinen Durchbruch als Schriftsteller feierte er mit seinem Welterfolg Alaune im Jahre 1911Bei Ausbruch des Krieges war Ewers in Peru, reiste weiter in die USA, wo er den ganzen Weltkrieg über blieb. Er war befreundet mit Walther Rathenau, trat 1931 in die NSDAP ein, schrieb einen Horst-Wessel-Roman.1934, nach dem Röhm-Putsch, wurde ihm ein generelles Publikationsverbot erteilt. Er starb 1943.Der Einfluss von Hanns Heinz Ewers auf die phantastische Literatur, insbesondere in Frankreich und den USA, darf nicht unterschätzt werden. In Deutschland half er, die Geisteshaltung und die Mentalität der Weimarer Republik und der "Goldenen Zwanziger" zu prägen: Zu auflagenstark waren seine Romane, zu präsent war seine persönliche Erscheinung im öffentlichen Leben, um übersehen zu werden. Selbst Bertolt Brecht sah sich gezwungen, sich mit dem "Fachmann für Entschleierung" auseinanderzusetzen. Dennoch findet Ewers in der herkömmlichen Literaturgeschichtsschreibung nicht mal als Fußnote Erwähnung.Werke (Auswahl): Frank Braun Trilogie; Alraune, 1911 (Welterfolg: Millionenauflage und Übersetzung in 25 Sprachen); Vampir, 1920; Der Geisterseher, 1922; Fundvogel, 1928; Reiter in deutscher Nacht, 1932; Horst Wessel, 1932. Erzählungssammlungen: Das Grauen, 1907; Die Besessenen, 1908; Nachtmahr, 1922 Filme: Der Student von Prag (1913, 1926, 1935); Ein Sommernachtstraum in unserer Zeit (1913); Alraune (1918, 1927, 1930, 1952)