Beschreibung
ES WAR EINMAL. vielleicht etwas anders, als wir zu wissen glauben. Der Rosenstock in Hildesheim und die alte Linde in Upstedt waren vor mehr als einem Jahrtausend schon Zeugen, wie römische Zivilisation in das wilde Germanien vordrang. Doch sie sind stumm. Sagen und Erzählungen aber, an denen die Region reich ist, erhellen und bestätigen oft die in Archiven dokumentierten Ereignisse. Man liest von erfüllten, gesegneten, langen Leben in großen Familien, ebenso von Kindersterblichkeit und jungen Menschen, die viel zu früh an 'Auszehrung' und Seuchen starben. Ein Detfurther Pfarrer bedrängte während einer PockenEpidemie Hildesheimer Behörden mit Anträgen, um Leben zu retten, bis er selbst der Krankheit erlag. Bizarr dagegen die Geschichte eines Detfurther Priesters, der zum Barista wurde und um 1700 das erste Kaffeehaus in Hildesheim betrieb. Graf Stolberg auf Söder hatte Töchter ohne Ende mit klangvoll wohlgeborenen Vornamen, die wie Girlanden in den Kirchenbüchern verzeichnet sind. Doch brachte er das Erbe seines Schwiegervaters mit der berühmten, von der Welt des Geistes bestaunten Gemäldesammlung durch. Die von Wrisberg besaßen in Wesseln zwei Höfe, die Teil ihres Agrarkonzerns mit riesigen Flächen und Hunderten Tieren waren. Die Aufzeichnungen des gräflichen Hausarchivs verraten den strengen Arbeitsalltag der Tagelöhner mit wenig Freizeit und magerer, rationierter Kost. In der Region schuf jener aristokratische Jetset Parks wie inszenierte Paradiese. Einer wurde jüngst mit seinem sentimentalen Teetempel in Wrisbergholzen sanft dem Verfall entrissen. Eine noch unverwundete, natürliche Kulturlandschaft, mit ruhig grasenden Kühen und ohne Bundesstraßen, ist dagegen auf den Fotografi en von Josef Kraas aus den Jahren 1940 bis 1950 zu sehen. Alte Ansichtskarten von Salzdetfurth zeigen mit dem Hotel Kronprinz eine elegante Hotelkultur, die es mit den Heil- und Kurbädern der Wilhelminischen Kaiserzeit durchaus aufnehmen konnte. Im Lammetal heilten Wannenbäder, Salzinhalation und Waldeslust. Gleichzeitig entstanden zahlreiche, noch immer beliebte Waldgaststätten und am Waldesrand zwischen Salzdetfurth und Detfurth wurden Erholungsheime gebaut, in denen kranke und arme Kinder aus den Städten mit liebevoller Reformpädagogik geheilt werden sollten. Im Kontakt mit Tieren, Blumen und den naturwüchsigen Kindern vom Lande sollten die Kleinen das Lebendige erfassen und entdecken, dass das Dorf eine Geschichte hat. Und sie erlebten den 'Sternenhimmel in seiner Herrlichkeit am Abend'. - So ergeht es dem Wanderer, er bleibt stehen und erblickt das Panorama einer vergangenen, großen Kultur.