Beschreibung
Ein mehrstöckiges Mietshaus. Der Putz graubeige, kleinbürgerliche Tristesse: an den Balkonbrüstungen Teppiche, ein einsamer Blumenkasten, auch der Liegestuhl fehlt nicht. Ein vertrauter Anblick. Erst auf den zweiten Blick sehen wir, dass etwas nicht stimmt. Alle Balkontüren führen ins Leere, die Balkone wiederum haben keine Zugänge.
Der Fotograf Frank Kunert (*1963 in Frankfurt/Main) hat keinen architektonischen Skandal aufgedeckt. Mit Balkon ist eine seiner Arbeiten, mit denen er feinsinnig und hintergründig unsere Wahrnehmung ad absurdum führt, vertraute Erzählzusammenhänge auf den Kopf und Wirklichkeit in Frage stellt. Weit davon entfernt, nur fotografische Satire sein zu wollen, geben Kunerts Miniaturen Gedanken- und Wortspielereien dreidimensionale Gestalt und machen sie dadurch im wahrsten Sinne begreifbar. In den Modellkulissen, die in wochenlanger Kleinstarbeit gefertigt und schließlich im Studio fotografiert werden, denkt und baut Frank Kunert auf schönste Weise gegen unsere abgenutzten Begriffs- und Vorstellungswelten an.
Frank Kunert (*1963 in Frankfurt / Main) absolvierte von 1984 bis 1987 eine Ausbildung zum Fotografen. Nach Assistenzjahren in verschiedenen Fotostudios machte er sich 1992 selbstständig. Für seinen Bildband Verkehrte Welt, erschienen im Hatje Cantz Verlag, wurde er 2009 mit dem Deutschen Fotobuchpreis in Silber ausgezeichnet. Frank Kunert lebt in Boppard.
Rezension
»Karl Valentin hätte sich mit diebischer Freude vor Lachen verbogen. (...) Ein Buch, so wertvoll wie ein Kinderlachen an einem trübsinnigen Tag.«
»Frank Kunert ist nicht nur Fotograf, sondern auch Modellbauer - und vor allem ein großer Ironiker. Kunert studiert Alltäglichkeiten, dann entwirft er dazu ein Bühnenbild. Penibel genau inszeniert er seine Kulissen, die die Realität so verfremden, dass sie kenntlich wird.«
»Es fällt mir ehrlich gesagt schwer, dieses Buch nur als einen Fotobildband zu betrachten. Obgleich es sich natürlich um eine fotografische Arbeitsweise handelt und das finale Werk eine Fotografie ist, besitzt das Projekt für mich eher die Merkmale der Bildenden Kunst - von Installation, Objekt oder Inszenierung. Kunerts Feinsinn und sein Drang zur visuellen Anarchie machen Spaß, regen an - hinterlassen dennoch das untrügliche Gefühl, dass viele dieser Szenen, so überzeichnet sie auch sein mögen, einen realen Hintergrund besitzen. Und da bleibt die Satire leicht im Halse stecken.«
»Manchmal mit satirischer Schärfe, manchmal mit einem Hauch von Melancholie inszeniert Kunert Verwirrspiele, in denen er die Absurditäten unseres Alltags auf die Spitze treibt.«
»Ich finde es ganz einmalig, was Frank Kunert kreiert hat.«
»Die Szenerien offenbaren automatisch kleine Erzählungen, sie funktionieren wie ein Nonsens-Gedicht von Robert Gernhardt, indem sie vertraute Perspektiven oder Geschichten auf den Kopf stellen.«