Beschreibung
Als sich 1529 die Reformation in Basel durchsetzte, floh das Domkapitel in die vorderösterreichische Stadt Freiburg. Reformation und Flucht führten die bereits seit langem von einer tiefen Krise gezeichnete Institution während der folgenden zwanzig Jahre in eine existenzbedrohliche Situation. Nach der Flucht verließen die meisten Domherren das Kapitel und in Freiburg blieb der Hilfsklerus zurück, der sich durch keinerlei Leitungsgewalt mehr zu liturgischer und klerikaler Disziplin angehalten sah. Exzesse und Fehlverhalten in der Stadt nahmen überhand, so dass der Rat Aufruhr in der Bevölkerung befürchten mußte und sich zum Einschreiten gezwungen sah. Über ein halbes Jahrhundert später verließ 1629 eine hochangesehene Körperschaft der Reichskirche Freiburgs Mauern, deren Ruf als vorbildliche Repräsentanten der Katholischen Reform bis nach Rom gedrungen war. Wie läßt sich dieser Wandel vom ungeliebten Unruhestifter zur renommierten geistlichen Bruderschaft erklären? Dieser Fragestellung geht der vorliegende Band nicht prosopographisch nach, sondern mit Blick auf das Selbstverständnis des Domkapitels als liturgischer Bruderschaft, wie es sich in der Wechselwirkung von öffentlicher Meinung und Verfassungsgestaltung je neu interpretierte. Dabei geht es zunächst um die Menschen, die die Institution Domkapitel bildeten und maßgeblich prägten. Kriterien der Personalrekrutierung, die innere Organisation der Ämter und Funktionen sowie Lebensstil der Basler Kleriker werden auf die Bedeutung der Liturgie als institutioneller Mitte hin untersucht. Das Verhältnis zur Liturgie und deren konkrete Gestaltung stehen vor diesem Hintergrund im Zentrum der Frage nach dem Domkapitel als Lebenswelt. In ihrem zweiten Teil geht es der Untersuchung darum, die Auswirkungen dieses Selbstverständnisses auf das Domkapitel als Repräsentant von Stift und Bistum Basel zu beleuchten. Dazu gehören die Rolle des Domkapitels bei den Bischofswahlen und bei der Umsetzung der Katholischen Reform im Bistum Basel ebenso wie seine gesellschaftliche wie institutionelle Profilierung in der Exilsstadt Freiburg. Der Ausblick am Ende des Bandes gilt der Zukunftsfähigkeit der Reformen des 16. Jahrhunderts in der Begegnung mit den deutlichen Anzeichen des Barockzeitalters im Domkapitel vor seinem Weggang aus Freiburg.
Autorenportrait
Nicola Eisele, geb. 1969, ist Studienassessorin am Auguste-Pattberg-Gymnasium in Mosbach-Neckarelz für die Fächer Katholische Religionslehre und Geschichte. Nach Abschluss des Studiums in Heidelberg, München und Freiburg nahm sie von 1996-2000 an einem Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Zusammenarbeit mit dem Universitätsarchiv Freiburg (Dr. Speck) und den Lehrstühlen für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte (Prof. Dr. Smolinsky) und Mittelalterliche Geschichte (Prof. Dr. Mertens) der Universität Freiburg teil, in dessen Rahmen die vorliegende Untersuchung entstanden ist.