Beschreibung
Der freiwillige Zusammenschluss zu Vereinigungen mit selbstgesetzten, gemeinnützigen Zielen spielt eine zentrale Rolle in der Entstehung demokratischer Gesellschaften. Für das östliche Europa wurde dieser Sachverhalt insbesondere unter dem Leitbegriff der Zivilgesellschaft erörtert. Jörg Hackmann untersucht in seiner Studie die Vereinskultur in Nordosteuropa vom 18. bis 20. Jahrhundert und eröffnet durch einen zeitlich, gesellschaftlich und thematisch umfassenden Zugriff neue Einblicke in die Thematik. Im Mittelpunkt stehen die russländischen Ostseeprovinzen im "langen 19. Jahrhundert" unter der Leitfrage, wie die Vergemeinschaftung in Vereinen den sozialen Raum unter den politischen Rahmenbedingungen des Zarenreichs geprägt hat. Die Studie gibt zunächst einen Überblick über die Entwicklungslinien, Aktivitätsfelder und Dimensionen von Vereinskultur und skizziert die vielfältigen Verflechtungen mit Russland, dem deutschen Sprachraum und innerhalb der Ostseeregion. So werden bisher nationalgeschichtlich geprägte Forschungen durch eine übergreifende Perspektive abgelöst. Daran anschließend werden die Interaktionen mit staatlichen Institutionen und die Rolle von Vereinen in den Nationalisierungsprozessen beleuchtet. Hackmann analysiert dabei die Spannung zwischen kultureller Vielfalt und gesellschaftlicher Einheit und zeigt, dass sich im Prisma der Geselligkeit Nordosteuropa als Geschichtsregion erkennen lässt.