Beschreibung
Die Romane des altfranzösischen Gralszyklus werden in der Literaturgeschichte oft als homogenes Korpus dargestellt, wobei sich das Interesse vor allem auf ästhetische und poetologische Fragestellungen konzentriert. Die sozialen und kulturellen Verwerfungen ihrer Entstehungszeit bleiben dabei weitgehend unberücksichtigt. Religiöse Motive werden entweder im Bereich der Mythologie angesiedelt oder nach den Kriterien kirchlicher Dogmatik bewertet. Die vorliegende Studie hat sich zum Ziel gesetzt, vier bedeutende Gralsromane, die in der "Achsenzeit" (Jaspers/Toynbee) des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts entstanden sind, mentalitätsgeschichtlich genauer zu verorten. Sie untersucht diese Romane auf Spuren mittelalterlicher Klosterkultur, auf Einflüsse der Kanoniker-Bewegung, auf Denkschemata vorscholastischer Gelehrsamkeit, auf Ausdrucksformen mystischer Religiosität, auf Manifestationen der Laienspiritualität sowie auf Zeugnisse einer erwachenden Frauenbewegung. Dabei wird deutlich, dass die Verfasser der vier Romane aus sehr unterschiedlichen Inspirationsquellen schöpfen. Entsprechend unterschiedlich artikuliert sich sowohl ihre literarische wie auch ihre geistliche Botschaft.