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Der stumme Text

Eine Kritik der maschinellen Übersetzung

Erscheinungsjahr: 2022
CHF 12,50
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783039060306
Sprache: Deutsch
Umfang: 76
Format (T/L/B): 17.0 x 11.0 cm

Beschreibung

Die neueste Generation maschineller Übersetzungsprogramme liefert Ergebnisse, die als äusserst vielversprechend wahrgenommen werden. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis die Maschine den Übersetzer überflüssig macht. Dabei wird vergessen, dass der Sinn des Übersetzens im herkömmlichen Sinne sich nicht in der Lieferung eines fertigen Textes erschöpft. Vielmehr ist jeder Übersetzer innerhalb eines materiellen und geistigen Umfelds tätig, das sich in der Übersetzung widerspiegelt. Insofern liegt die eigentliche sprachliche, kulturelle, kognitive und auch wirtschaftliche Leistung des Übersetzens in jenen Vorgängen begründet, die dem Endprodukt vorausgehen. Darin liegt der wesentliche Unterschied zwischen der Übersetzung durch die Maschine und der des Menschen. Die rechnerisch hergestellte Zeichenfolge, die die Maschine liefert, ist, selbst wenn sie fehlerfrei ist, eine leere Hülle, die keinerlei Spur eines Entstehungshintergrunds in sich trägt und somit auf nichts ausser auf sich selbst verweist. Die Maschine produziert letztlich einen stummen Text.

Rezension

LESEREZENSION Ettore Mjölsnes setzt sich in seinem Buch „Der stumme Text“ mit maschinellen Übersetzungsprogrammen auseinander. Es ist nur ein schmales Büchlein, doch beeindruckt das profunde Wissen und die Vielseitigkeit, mit der Mjölsnes in vielen Beispielen aus Geschichte, Literatur und Philosophie über Sprache und die Tätigkeit des Übersetzens schreibt. Er zieht zuerst Parallelen zu „perfekten“ androiden Maschinen, wie man sie zum Beispiel in Filmen sehen kann. So wie diese Androiden dort bewirkten auch maschinelle Übersetzungsmaschinen eine gewisse Faszination und Bewunderung – ganz besonders die moderneren Versionen. Diesen gesteht Mjölsnes durchaus eine ordentliche Qualität und praktischen Nutzen zu. Ettore Mjölsnes geht es aber nicht um das Endprodukt einer Übersetzung, sondern um die „Technologie als solche , mitsamt dem Sprachen- und Menschenbild , das ihr zu Grunde liegt, sowie ihre Auswirkungen auf allen Ebenen.“ (S. 13) Mit diesen wesentlichen Fragen beschäftigt er sich in diesem Buch. Entscheidend für ihn ist ein Menschenbild, das durch die verschiedensten individuellen und kulturellen Gegebenheiten geprägt ist und nur so das Menschliche repräsentiert. Jede sprachliche Äußerung, jeder Text ist so ein Abbild dieses Menschlichen und vermittelt neben der Ebene korrekter Wörter und grammatischer Strukturen ein komplexes Gebilde von Bedeutungen und Konnotationen. Mjölsnes hat dafür verschiedene Bilder, besonders passend scheint mir das vom „Hinterland“ (S. 28), das mit einem Text mitschwingt. Ein menschlicher Übersetzer reflektiere das, wenn er einen Text in eine andere Sprache überträgt. Er mache sich die Mühe, durch Recherchen der verschiedensten Art das „Hinterland“ des Verfassers zu ergründen und in die Übersetzung einfließen zu lassen. Auch der Übersetzer bringe sein eigenes „Hinterland“ mit, das in dem übersetzten Text durchscheint. Für Mjölsnes geht bei Übersetzungen durch eine Maschine dieses „Hinterland“ verloren, und somit werde das Menschliche nivelliert. Die Maschine bringe durch ihre mechanischen Rechenoperationen nur eine Reihe sprachlicher Zeichen zustande „ohne Inhalt und ohne Hinterland“ (S. 59) Mjölsnes sieht jedoch, dass die riesigen Datenmengen von maschinellen Übersetzungsprogrammen ein Hilfsmittel sein können für die Entscheidungen eines menschlichen Übersetzers. In der Praxis könne es auch Situationen geben, in denen durch maschinelle Übersetzungen schnell eine „Ahnung“ (S. 45) von einem Text vermittelt werde. Kritisch steht er aber zum Beispiel dem Vorgehen der Europäischen Union gegenüber, die auf ihrer Internetseite eine Übersetzungssoftware anbietet, damit man bei der Sprachenvielfalt in der EU den Kern eines Textes erfassen könne. Er vermisst dabei den Respekt für die einzelnen Sprachen der EU mit ihrem jeweiligen kulturellen Hintergrund. Dem stellt er ein Beispiel aus der Schweiz mit ihrer „paritätischen Auffassung der Mehrsprachigkeit“ (S. 61) gegenüber. Es genüge hier nicht, dass ein Text in einer Sprache verfasst und dann übersetzt werde, sondern der Inhalt eines behördlichen Textes sei dann ein „Geflecht von Interaktionen“, das die „Gleichwertigkeit der Sprachen“ (S. 62/63) garantiere. Ich gebe dem Autor grundsätzlich recht, dass beim maschinellen Übersetzen Individualität, kulturelle Gegebenheiten und viele Feinheiten verloren gehen – und damit eben letztlich der Mensch mit seinen komplexen Erfahrungen und differenzierten sprachlichen Äußerungen reduziert wird. Es wird aber in unserer globalisierten Welt mit all den internationalen Verflechtungen wohl nicht ohne solche Hilfsmittel gehen. Seine eigentliche Kritik zielt darauf, dass sich Menschen auf das rein mathematisch-mechanische Verfahren der Übersetzungsmaschinen einlassen und verlassen und vielleicht nicht mehr nach einem „Hinterland“ suchen oder es gar nicht mehr verstehen. Vielleicht könnte Ettore Mjölsnes konkreter auf die von ihm befürchteten Auswirkungen auf das „Sprachen-und Menschenbild“ eingehen. Ihm gelingt es aber, ein Bewusstsein zu schaffen für die wahren Defizite solcher Programme (eben nicht, dass sie hin und wieder falsche Wörter oder Ähnliches produzieren) sowie dafür, bei ihrer Benutzung und Beurteilung eine kritische Distanz zu wahren. Das ist ein wichtiger Beitrag. Das Besondere und Schöne an diesem Buch ist aber, was und wie Ettore Mjölsnes über Sprache und das Übersetzen schreibt. C.S.

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